Berlin. (ml) Trotz eisiger Temperaturen und angeführt von 130 Traktoren – so viele wie nie zuvor – hatten 23.000 Bauern und Verbraucher gemeinsam in Berlin für eine Agrarwende demonstriert. Unter dem Motto «Wir haben Agrarindustrie satt! Keine Zukunft ohne Bäuerinnen und Bauern» zogen sie zum Bundeskanzleramt und forderten von der Bundesregierung die Weichen für eine bäuerliche und ökologischere Zukunftslandwirtschaft zu stellen. Bauern, Imker, Tier- und Naturschützer, Aktive in der Entwicklungszusammenarbeit, Lebensmittelhandwerker und Köche demonstrierten für Bauernhöfe, die umwelt- und klimafreundlich wirtschaften, damit das Recht auf Nahrung weltweit sichern, starke Strukturen im ländlichen Raum erhalten, artgerechte Tierhaltung verwirklichen, gentechnikfrei arbeiten und deren Grundsatz fairer Handel ist.
«Angesichts der katastrophalen und Struktur-zerstörenden Erzeugerpreise für Milch und Schweinefleisch ermutigen dieser starke Rückhalt und die Wertschätzung der Gesellschaft, den Kampf für den Erhalt unserer Höfe energisch zu führen», sagt Ottmar Ilchmann, Milchbauer aus Ostfriesland. «Die Agrarpolitik in Berlin und Brüssel ist verantwortlich für die Rahmenbedingungen, die zu Überproduktion und Erzeugerpreisen deutlich unter den Produktionskosten führen. Dabei zerstören Agrarexporte zu Dumpingpreisen für den Weltmarkt bäuerliche Strukturen und regionale Märkte für Bauern hier und in der ganzen Welt. Die Bundesregierung muss jetzt umsteuern, damit es sich für Bauern lohnt, gute Lebensmittel für den heimischen Markt zu produzieren».
Der lange Trecker-Konvoi wurde von der Menge auf dem Potsdamer Platz jubelnd empfangen. «Die Bauern stehen in der Mitte der Gesellschaft», sagt Jochen Fritz, Landwirt und Sprecher der Demonstrations-Bündnisses «Wir haben es satt!» den gemeinsamen Protest. «Die Menschen wollen, dass Bauern und nicht Konzerne ihr Essen erzeugen, sie wollen gesundes Essen, keine Gentechnik auf dem Acker, im Trog und auf dem Teller, sie wollen, dass Tiere auf der Weide grasen können, Schweine auf Stroh stehen und keine Schwänze oder Schnäbel abgeschnitten werden. Die Bauern sind bereit dafür! Worauf wartet die Bundesregierung»?
Auch Sarah Wiener, Köchin aus Berlin, forderte einen Umbau des Ernährungssystems: «Wir wollen den Wandel mit Fairness und Genuss! Gute, köstliche Lebensmittel bekommen wir nur, wenn wir achtsam mit unserer Umwelt, den Pflanzen und Tieren umgehen. Wenn wir verstehen, dass wir mit der Natur arbeiten müssen und nicht gegen sie, werden wir die Wertschätzung für das, was uns ernährt wieder erlangen. Davon profitieren die Bauern, die Böden und die Nutztiere».
Hubert Weiger, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): «Bäuerliche Betriebe und die Verbraucher sind die Verlierer der Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Die Agrarindustrie will über TTIP und CETA Verbraucherschutzstandards senken. Hormonfleisch und Gen-Food ohne Kennzeichnung könnten dann auch in unseren Supermarktregalen landen. Das Gentechnikkapitel in CETA zeigt, dass die EU-Kommission beim Verbraucherschutz zu faulen Kompromissen bereit ist. Anstatt ihn zu schwächen muss die Bundesregierung endlich dafür sorgen, dass der Verbraucherschutz gestärkt wird» (Bild: Volker Gehrmann / Jan Ganschow).
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