Dienstag, 19. März 2024
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Vertical Farming: Wäre das nicht was für Sie?

Bremerhaven. (eb) «Vertical Farming» ist mehr als nur ein Trend. Im städtischen Umfeld machen die Etagen- Anbausysteme aus der Not eine Tugend, halten Lieferwege kurz, den eigenen Fuhrpark klein und geben manchem brach liegenden Gebäude, Keller, Hausdach oder mancher Fassade eine neue Bedeutung. Attraktive Gewächshäuser, in denen Kräuter, Salate + Co. etagenweise sprießen und sofort nach der Ernte an Verbraucher abgegeben werden können, gibt es heute selbst in ausgesuchten Supermärkten. Wäre das nicht auch was für Bäcker und Gastronomen?

Wirtschaftliche Bewertung

Eine fundierte Analyse zur wirtschaftlichen Durchführbarkeit der vertikalen Landwirtschaft wurde noch nicht angestellt. Eine detaillierte Kostenanalyse bezüglich Betriebsprozesse und -abläufe, Transport, Düngung, Pflanzenschutz, Bodenbehandlung, Pflege, Nachwachsende Rohstoffe, Recycling, Erneuerbare Energien und Beschäftigungsfaktoren ist aber notwendig, um die verschiedenen Bewirtschaftungssysteme miteinander zu vergleichen. Mehraufwand und Zusatzkosten durch Beleuchtung, Wärmeerzeugung und Energiebereitstellung könnten die Vorteile der verminderten Transportkosten möglicherweise aufwiegen oder mindern.

Bewertung für Marketing und Imagepflege

Eine Schaubäckerei oder Gläserne Backstube betreiben Unternehmen nicht, weil die sich kostengünstiger darstellen ließe als konventionelle Produktionen. Die sind schlicht dafür da, um Tugenden zu demonstrieren und Images zu transportieren. Dasselbe gilt für das vertikale Gärtnern, wollte man sich den Anbau von Obst (zum Beispiel Erdbeeren) oder Gemüse (etwa Tomaten) ins Haus holen. Attraktiv präsentiert, kann man damit sicher punkten. Allerdings muss ein solches Konzept konsequent nachhaltig und umweltfreundlich sein, weil es sonst von der angesprochenen Kundengruppe nur schwer akzeptiert würde. Überlegenswert ist das «Vertical Gardening» allemal – zumal Bäcker-Gastronomen nicht gleich eine komplette vertikale Landwirtschaft aufbauen wollen. Sie würden nur einige wenige Zutaten frischer als frisch zur Verfügung stellen, die sie tatsächlich auch beherrschen. Auf diese Weise können sie sogar Einfluss nehmen auf das Saatgut.

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Wissenschaftlicher Hintergrund

Ein Wissenschaftlerteam der Universität Göttingen hat kürzlich die Akzeptanz von vertikalen Anbausystemen untersucht(*). Dabei haben die Forscher der Abteilung für Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte rund 500 Verbraucherinnen und Verbraucher aus Deutschland zu verschiedenen vertikalen Anbausystemen befragt. Bewertet wurde ein kühlschrankgroßes Gerät für den Privatgebrauch, ein mittelgroßes Gewächshaus, das in Supermärkten steht, sowie eine vertikale Farm, die in frühere Industriegebäude gebaut werden kann. Für 81 Prozent der Konsumenten ist Umweltfreundlichkeit ein wichtiges Thema. Nur sieben Prozent hatten bereits von vertikaler Landwirtschaft gehört. Interessant ist, dass dennoch die Hälfte der Teilnehmer frische Produkte aus vertikalen Anbausystemen kaufen würde. Zudem zeigt sich: Je größer das System, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies als nachhaltig angesehen wird. Die kleinen Systeme für den Hausgebrauch wurden insgesamt schlechter bewertet (… und sind im Kontext hier ohnehin zu vernachlässigen).

«Unsere Ergebnisse zeigen, dass bei der Entwicklung der vertikalen Anbausysteme der Fokus besonders auf die Nachhaltigkeit gelegt werden sollte. Nur Systeme, die wirklich umweltfreundlich sind, werden die Verbraucher überzeugen», sagt Kristin Jürkenbeck, Doktorandin und Hauptautorin der Studie. «Das Thema Nachhaltigkeit wird in allen Lebensbereichen immer wichtiger für Konsumenten, dies verdeutlichen die öffentlichen Diskussionen und es darf von Unternehmen nicht ignoriert werden», sagt Prof. Dr. Achim Spiller, Leiter der Arbeitsgruppe Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte (Fotos: Matt Brown).

(*)Originalveröffentlichung: Jürkenbeck, Kristin, et al: Sustainability Matters: Consumer Acceptance of Different Vertical Farming Systems. Sustainability 2019, 11, 4052. https://doi.org/10.3390/su11154052

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