Freitag, 26. April 2024

Green Deal: Stellungnahme der Agrarministerin

Berlin. (bmel) Unter Federführung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) haben sich die 27 Mitgliedsstaaten beim EU-Agrarrat in Luxemburg auf die Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) geeinigt. Damit sei eines der zentralen Ziele der deutschen Ratspräsidentschaft erreicht. Nach zwei Tagen intensiver Verhandlungen wurde Dienstagnacht die so genannte «Allgemeine Ausrichtung» beschlossen.

Dazu erklärt die Agrarministerin Julia Klöckner wortwörtlich: «Die heutige Einigung ist ein Meilenstein für die Gemeinsame Agrarpolitik in Europa – sie ist ein Systemwechsel. Ich freue mich, dass es in unserer Ratspräsidentschaft gelungen ist, Europa in einer so zentralen Frage zu einen. Trotz der unterschiedlichen Agrarstrukturen der 27 Mitgliedsstaaten haben wir gemeinsam eine wegweisende Entscheidung getroffen. Erstmals führen wir für alle Staaten gleichermaßen einen verpflichtenden Standard für den Umwelt- und Klimaschutz ein. Das ist eine fundamentaler Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit, Fairness und Wettbewerbsgerechtigkeit innerhalb der EU. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass die Anforderungen praxistauglich und umsetzbar sind. Der dadurch entstehende Mehraufwand für unsere Landwirte wird honoriert. Wir zeigen, dass eine stärkere Umwelt- und Klimaambition zusammengeht mit Ernährungssicherung und der notwendigen Einkommensstützung für die Betriebe. Damit schaffen wir die Grundlage für eine wettbewerbsfähige Nahrungsmittelproduktion in der EU.»

Mit Annahme des Vorschlags der deutschen Präsidentschaft wird es erstmals klare Leitplanken für den Umweltschutz in der GAP geben – die Mitgliedstaaten bekennen sich zu einem hohen Niveau bei der so genannten Grünen Architektur, also der Regelungen, die höhere Umwelt- und Klimaleistungen der Landwirtschaft unterstützen. Auch werden zukünftig alle Direktzahlungen an klare Konditionen geknüpft sein. Förderung gibt es nur noch, wenn Bedingungen für mehr Nachhaltigkeit erfüllt werden: keine Leistung ohne Gegenleistung. Beispiele sind etwa der Erhalt von Dauergrünland, Schutz von Feuchtgebieten, die Herausnahme von Fläche aus der Produktion für Biodiversität oder Fruchtwechsel für Vielfalt auf dem Acker. Das hohe Niveau der Umweltleistungen im deutschen Vorschlag war unter den Mitgliedsstaaten umstritten – letztlich konnte es Bundesministerin Julia Klöckner in den Verhandlungen aber durchsetzen.

Wesentliche Punkte der Einigung des Agrarrats zur GAP:

Grüne Architektur

  • Kernstück sind verbindliche Öko-Regelungen in der ersten Säule, auf die die Bundesministerin in den Verhandlungen bestanden hat. Sie liefern einen messbaren Beitrag zur Erreichung von Umwelt- und Klimaschutz-Zielen.
  • Für die Öko-Regelungen müssen die Mitgliedstaaten zudem ein verpflichtendes Mindestbudget von 20 Prozent der Direktzahlungen zur Verfügung stellen. Für Deutschland sind das etwa knapp eine Milliarde Euro im Jahr. Mit dem Mindestbudget ist die Präsidentschaft deutlich über den Kommissionsvorschlag hinausgegangen.
  • Um der Sorge einiger Mitgliedstaaten entgegenzutreten, dass Finanzmittel verfallen könnten, wenn Landwirte dieses neue Instrument nicht ausreichend nachfragen, ist eine zweijährige Lernphase Teil des Kompromisses. In dieser Zeit dürfen ungenutzte Mittel anders verwendet werden, wenn alle Umschichtungsmöglichkeiten innerhalb der Öko-Regelungen ausgeschöpft sind

Konditionalität

  • Im Rahmen der Konditionalität haben Mitgliedstaaten im GLÖZ 9 (Standard 9 für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen) die Wahl, wie die höhere Umwelt- und Klimaambition umgesetzt wird.
    • Option 1: Drei Prozent der Ackerfläche müssen für ausschließlich nicht-produktive Flächen und Elemente vorgesehen werden (Stilllegung).
    • Option 2: Ein Prozentsatz von mindestens fünf Prozent für nicht-produktive Flächen und Elemente, wobei auch die Flächennutzung für den Anbau von Zwischenfrüchten und stickstoff-fixierenden Pflanzen ohne Anwendung von Pflanzenschutzmitteln erlaubt ist.

Kappung und Degression

  • Eine Kappung ist ausschließlich bei einem Betrag von 100.000 Euro möglich.
  • Zudem ist eine Degression auf freiwilliger Basis möglich:
    • Ab 60.000 Euro Basisprämie können Länder stufenweise ansteigende Kürzungsprozentsätze für die Basisprämie je Begünstigten einführen.
    • Auch bei Beträgen über 100.000 Euro Basisprämie ist eine Degression möglich.

Klöckner: «Die von uns erreichte Einigung ist ein Meilenstein für die Gemeinsame Agrarpolitik in Europa – sie ist ein Systemwechsel. Ich freue mich, dass es in unserer Ratspräsidentschaft gelungen ist, Europa in einer so zentralen Frage zu einen. Trotz der unterschiedlichen Agrarstrukturen der 27 Mitgliedstaaten haben wir gemeinsam eine wegweisende Entscheidung getroffen. Erstmals führen wir für alle Staaten gleichermaßen einen verpflichtenden Standard für den Umwelt- und Klimaschutz ein. In den Verhandlungen haben wir hier Kurs gehalten, diesen Punkt zu unserer roten Linie gemacht. Das ist ein fundamentaler Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit, Fairness und Wettbewerbsgerechtigkeit in der EU.

«Klar ist aber auch: Wer die regionale landwirtschaftliche Erzeugung erhalten will, der muss höhere Auflagen auch honorieren. Einkommens- und Ertragssicherung sind kei-ne Nebensache, wenn wir nicht immer mehr Lebensmittel importieren wollen. Wir haben daher großen Wert darauf gelegt, dass die Anforderungen praxistauglich und umsetzbar sind und dadurch entstehende Mehrkosten ausgeglichen werden. Wir zeigen, dass eine stärkere Umwelt- und Klimaambition zusammengeht mit Ernährungssicherung und der notwendigen Einkommensstützung für die Betriebe. Für die landwirtschaftlichen Betriebe ist das eine große Chance. Denn damit schaffen wir weiterhin die Grundlage für eine wettbewerbsfähige Nahrungsmittelproduktion in der EU.»
 


Weitere Stellungnahmen zum EU-Agrarrat und ein Kommentar

Bremerhaven. (21.10. / eb) Die Ergebnisse des EU-Agrarrats in Bezug auf die Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) werfen einmal mehr die Frage auf, wie weit sich der Politikbetrieb vom wirklichen Leben entfernt hat. Auch regiert der Deutsche Bauernverband (DBV) nach wie vor relativ unverfroren und ungehindert bis nach Brüssel durch. Als Stellvertreter der Chemie- und Agrarindustrie vertritt der DBV schon lange nicht mehr die Interessen der bäuerlichen Landwirtschaft in Deutschland. Seine «Schläfer» sitzen jedoch seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland an allen für ihn wichtigen Schaltstellen der Macht und setzen die Interessen des Verbands konsequent um. Wer an den Schalthebeln der Macht sitzt, der sitzt natürlich auch an den Subventionstöpfen. Wie sonst ist zu erklären, dass Europas Steuerzahler heute 390 Milliarden Euro allein dafür blechen müssen, dass zu viel und zu billig produziert wird? In nicht allzu ferner Zukunft werden Europas Steuerzahler noch eine weitere Rechnung präsentiert bekommen – nämlich wenn es darum geht, die Umweltschäden zu korrigieren, die diese zerstörerische Form der Agrarwirtschaft nach wie vor anrichten darf. Die Kritik aus dem Umweltschutz und der bäuerlichen Landwirtschaft an den aktuellen Beschlüssen ist deutlich und nahezu einhellig. Die folgende Auswahl an Stellungnahmen hätte beliebig fortgeführt werden können, bildet aber schon das gesamte Spektrum ab:
 
 

Demeter: Klima und Umwelt sind Europa egal

Darmstadt. (dev) Der Hoffnung, dass mit den klaren Leitplanken der Farm-to-Fork Strategie nun die EU-Agrarpolitik endlich zukunftsfähig reformiert wird, haben EU-Agrarministerrat und EU-Parlament den Wind aus den Segeln genommen – registriert der Demeter Verband die Beschlüsse mit Entsetzen.

Bioland: Europa zementiert den agrarpolitischen Stillstand

Mainz. (bl) Rückschritt statt Systemwechsel. Europa zementiert den umweltpolitischen Stillstand in grünem Geschenkpapier. Jan Plagge, Präsident des Bioland Verbands, kommentiert die Richtungsbeschlüsse vom Agrarrat und Europaparlament zur GAP-Reform einigermaßen fassungslos.

Die Grünen: Klöckners «Systemwechsel» ist ein Etikettenschwindel

Brüssel / BE. (efa) Auch wenn es kaum noch was nützt: So einfach wollen die Grünen im Europäischen Parlament Agrarministerin Julia Klöckner mit ihrer ungenauen Erklärung zu den Beschlüssen des Agrarrats nicht davonkommen lassen und haben ein paar Fakten gegenübergestellt.

Naturland: Anti-Reform-Deal ist Verrat an Umwelt- und Klimaschutz

Gräfelfing. (nl) Als Verrat an Umwelt- und Klimaschutz kritisiert der Öko-Verband Naturland die Beschlüsse von EU-Agrarrat und EU-Parlament zur GAP-Reform. Mit diesem Anti-Reform-Deal werde nicht die Zukunft der europäischen Landwirtschaft gestaltet, sondern ihre Vergangenheit auf Jahre hinaus festgeschrieben.

20201024-MONDFAHRT

EU-Agrarpolitik: Wie aus dem Green Deal Ursulas Mondfahrt wird

Bremerhaven. (usp) Aus den hochfliegenden Plänen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist nicht viel geworden. Man mag sie nicht mal mehr mit einem Tigersprung vergleichen. Für künftige Generationen kann man nur hoffen, dass sie nicht vollständig als Bettvorleger enden.

EU-Biodiversitätsstrategie: «Agrarminister sabotieren Masterplan»

Berlin. (nabu) Der EU-Umweltrat erteilte der EU-Biodiversitätsstrategie grünes Licht. Ein großer Erfolg von Bundesumweltministerin Svenja Schulze angesichts der Haltung des EU-Agrarrats. Der setzt, mit Agrarministerin Julia Klöckner an der Spitze, weiterhin auf Boykott und tut so, als gäbe es die großen Schäden nicht, die die Agrarindustrie nachweislich verursacht hat – und weiterhin verursachen darf.

20200929-PESTIZIDE

Deutsche Wissenschaftsakademien fordern zügige Öko-Wende

Halle / Saale. (naw) Die biologische Vielfalt ist hierzulande stark zurückgegangen. Die deutschen Akademien der Wissenschaften geben Empfehlungen, was zügig zu tun wäre.

Arge bäuerliche Landwirtschaft: So werden keine Probleme gelöst!

Hamm / Westfalen. (abl) Sowohl EU-Parlament als auch Agrarrat haben weitreichende Entscheidungen zur Ausgestaltung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) getroffen. Elisabeth Fresen, Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), kommentiert die Beschlüsse.

20201021-KAUFEN

Greenpeace: Klassische Klientelpolitik für Großbetriebe

Hamburg. (gpd) Unter Leitung von Agrarindustrieministerin Julia Klöckner hat sich der EU-Agrarministerrat auf eine gemeinsame Position zur GAP-Reform geeinigt. Die ohnehin schon schwache Vorlage der EU-Kommission sei nun bis zur Unkenntlichkeit verwässert, meint Greenpeace.

WWF: EU-Agrarreform Katastrophe für Natur- und Klimaschutz

Berlin. (wwf) WWF Deutschland hält sich nicht lange an der Klientelpolitik für Großbetriebe und Chemiekonzerne auf, sondern richtet seinen Fokus auf die verpassten Chancen im Natur- und Klimaschutz für alle Bürger. Das Artensterben darf weitergehen und die Zukunft künftiger Generationen gefährden.

20201021-KRIEG

NABU: Agrarminister erteilen Green Deal eine Kampfansage

Berlin. (nabu) Die Einigung der EU-Agrarminister zur künftigen gemeinsamen Agrarpolitik bewertet der Naturschutzbund Deutschland (NABU) als Armutszeugnis für die Politik.

Bitter: Agrarministerin fährt Chance bewusst an die Wand

Berlin. (heb) Harald Ebner, MdB, Obmann der Grünen im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, kritisiert den Kompromiss im Agrarrat scharf und wirft Ministerin Julia Klöckner vor, den Green Deal bewusst aushebeln zu wollen. Kommissionspräsidentin von der Leyen werde vorgeführt.

20201021-BAGGER

Die Grünen: EU-Agrarminister beerdigen den Green Deal

Brüssel / BE. (efa) Mit dem Beschluss des EU-Agrarrats für die künftige Gemeinsame Agrarpolitik ist der groß angekündigte Green Deal beerdigt worden, sagt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament.

Green Deal: Stellungnahme der Agrarministerin

Berlin. (eb) Rückwärtsgewandte Politik ist schlecht für die Bauern und schlecht für die Umwelt. Belohnt wird weiterhin, wer zu billig und zu viel produziert. Julia Klöckner hat einmal mehr gezeigt, wessen Geistes Kind sie ist. Die originale Mitteilung für die Medien aus dem BMEL gibt es hier zum Nachlesen.

 
Kommentar: Rückwärtsgewandte Klientelpolitik ist schlecht für echte Bauern und schlecht für die Umwelt. Belohnt wird weiterhin, wer zu billig und zu viel produziert. Julia Klöckner hat einmal mehr gezeigt, wessen Geistes Kind sie ist. Nicht, dass das noch irgendwen überraschen könnte – wäre das Ergebnis nicht so traurig für den Umwelt- und den Artenschutz, für künftige Generationen und eine lebenswerte Zukunft. Es gehört schon ziemlich viel Chupze dazu, die politische Breitseite gegen die Ziele der EU-Kommission als «Meilenstein» und «Systemwechsel» zu verkaufen. Alles soll bleiben wie es ist – das ist die Botschaft.
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