Berlin. (nabu) Die Einigung der EU-Agrarminister zur künftigen gemeinsamen Agrarpolitik bewertet der Naturschutzbund Deutschland (NABU) als Armutszeugnis für den Klima- und Artenschutzpolitik. NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller:
«Die Landwirtschaftsminister haben dem Europäischen Green Deal jetzt eine Kampfansage erteilt. Statt Hunderttausenden Agrarbetrieben bei der Umstellung auf eine klima- und naturverträgliche Zukunft zu helfen, zementieren sie mit Steuergeldern von morgen ein schädliches Subventionssystem von vorgestern. Existenzielle Probleme wie die Klimakrise, Dürren und Insektensterben werden so nicht gelöst. Im Gegenteil: Die Betriebe werden allein gelassen mit unweigerlich steigenden Klima- und Umweltauflagen. Dieser Beschluss ist ein deutlicher Rückschritt gegenüber den viel zu schwachen Reformvorschlägen der Kommission.»
Die ohnehin wenigen Umweltambitionen, mit denen Julia Klöckner die deutsche Ratspräsidentschaft angetreten war, wurden in den Verhandlungen stark aufgeweicht. Aus Angst vor Konflikten mit Interessenverbänden habe die Ministerin den kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht – zu Lasten von Natur und Klima, kommentiert Miller. Nach bisherigen Informationen wird es bei den Bedingungen für den Erhalt von Subventionen keine Fortschritte dahingehend geben, dass Betriebe nicht-produktive Flächen für die Biodiversität zur Verfügung stellen müssen. Das allerdings wäre der entscheidende Schlüssel, um bestäubenden Insekten und Vögeln zu helfen. EU-weit schwinden Arten und Lebensräume in atemberaubenden Tempo, wie vorgestern erneut ein Bericht der EU-Umweltagentur unterstrich.
Zwar habe Bundesagrarministerin Julia Klöckner ein Mindestbudget für die sogenannten Öko-Regelungen (Eco-Schemes) von 20 Prozent durchgesetzt, ohne jedoch konkrete Vorgaben zur Wirksamkeit der Maßnahmen zu machen. Im ungünstigsten Fall sollten diese zudem erst ab 2025 greifen, so Miller. Das wäre viel zu spät und deutlich zu wenig für eine echte Trendwende in der Agrarpolitik.
Der NABU hofft nun darauf, dass zumindest die EU-Parlamentarier bei ihren finalen Abstimmungen in den nächsten Tagen noch die Möglichkeit nutzen, die Agrarpolitik klar mit den Zielen des Green Deal und des Pariser Klima-Abkommens zu verknüpfen. Die entsprechenden Anträge stehen voraussichtlich am Mittwoch zur Abstimmung (AM1199 und AM808) (Foto: pixabay.com).
Weitere Stellungnahmen zum EU-Agrarrat und ein Kommentar
Bremerhaven. (21.10. / eb) Die Ergebnisse des EU-Agrarrats in Bezug auf die Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) werfen einmal mehr die Frage auf, wie weit sich der Politikbetrieb vom wirklichen Leben entfernt hat. Auch regiert der Deutsche Bauernverband (DBV) nach wie vor relativ unverfroren und ungehindert bis nach Brüssel durch. Als Stellvertreter der Chemie- und Agrarindustrie vertritt der DBV schon lange nicht mehr die Interessen der bäuerlichen Landwirtschaft in Deutschland. Seine «Schläfer» sitzen jedoch seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland an allen für ihn wichtigen Schaltstellen der Macht und setzen die Interessen des Verbands konsequent um. Wer an den Schalthebeln der Macht sitzt, der sitzt natürlich auch an den Subventionstöpfen. Wie sonst ist zu erklären, dass Europas Steuerzahler heute 390 Milliarden Euro allein dafür blechen müssen, dass zu viel und zu billig produziert wird? In nicht allzu ferner Zukunft werden Europas Steuerzahler noch eine weitere Rechnung präsentiert bekommen – nämlich wenn es darum geht, die Umweltschäden zu korrigieren, die diese zerstörerische Form der Agrarwirtschaft nach wie vor anrichten darf. Die Kritik aus dem Umweltschutz und der bäuerlichen Landwirtschaft an den aktuellen Beschlüssen ist deutlich und nahezu einhellig. Die folgende Auswahl an Stellungnahmen hätte beliebig fortgeführt werden können, bildet aber schon das gesamte Spektrum ab:
Demeter: Klima und Umwelt sind Europa egal
Darmstadt. (dev) Der Hoffnung, dass mit den klaren Leitplanken der Farm-to-Fork Strategie nun die EU-Agrarpolitik endlich zukunftsfähig reformiert wird, haben EU-Agrarministerrat und EU-Parlament den Wind aus den Segeln genommen – registriert der Demeter Verband die Beschlüsse mit Entsetzen.
Bioland: Europa zementiert den agrarpolitischen Stillstand
Mainz. (bl) Rückschritt statt Systemwechsel. Europa zementiert den umweltpolitischen Stillstand in grünem Geschenkpapier. Jan Plagge, Präsident des Bioland Verbands, kommentiert die Richtungsbeschlüsse vom Agrarrat und Europaparlament zur GAP-Reform einigermaßen fassungslos.
Die Grünen: Klöckners «Systemwechsel» ist ein Etikettenschwindel
Brüssel / BE. (efa) Auch wenn es kaum noch was nützt: So einfach wollen die Grünen im Europäischen Parlament Agrarministerin Julia Klöckner mit ihrer ungenauen Erklärung zu den Beschlüssen des Agrarrats nicht davonkommen lassen und haben ein paar Fakten gegenübergestellt.
Naturland: Anti-Reform-Deal ist Verrat an Umwelt- und Klimaschutz
Gräfelfing. (nl) Als Verrat an Umwelt- und Klimaschutz kritisiert der Öko-Verband Naturland die Beschlüsse von EU-Agrarrat und EU-Parlament zur GAP-Reform. Mit diesem Anti-Reform-Deal werde nicht die Zukunft der europäischen Landwirtschaft gestaltet, sondern ihre Vergangenheit auf Jahre hinaus festgeschrieben.
EU-Agrarpolitik: Wie aus dem Green Deal Ursulas Mondfahrt wird
Bremerhaven. (usp) Aus den hochfliegenden Plänen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist nicht viel geworden. Man mag sie nicht mal mehr mit einem Tigersprung vergleichen. Für künftige Generationen kann man nur hoffen, dass sie nicht vollständig als Bettvorleger enden.
EU-Biodiversitätsstrategie: «Agrarminister sabotieren Masterplan»
Berlin. (nabu) Der EU-Umweltrat erteilte der EU-Biodiversitätsstrategie grünes Licht. Ein großer Erfolg von Bundesumweltministerin Svenja Schulze angesichts der Haltung des EU-Agrarrats. Der setzt, mit Agrarministerin Julia Klöckner an der Spitze, weiterhin auf Boykott und tut so, als gäbe es die großen Schäden nicht, die die Agrarindustrie nachweislich verursacht hat – und weiterhin verursachen darf.
Deutsche Wissenschaftsakademien fordern zügige Öko-Wende
Halle / Saale. (naw) Die biologische Vielfalt ist hierzulande stark zurückgegangen. Die deutschen Akademien der Wissenschaften geben Empfehlungen, was zügig zu tun wäre.
Arge bäuerliche Landwirtschaft: So werden keine Probleme gelöst!
Hamm / Westfalen. (abl) Sowohl EU-Parlament als auch Agrarrat haben weitreichende Entscheidungen zur Ausgestaltung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) getroffen. Elisabeth Fresen, Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), kommentiert die Beschlüsse.
Greenpeace: Klassische Klientelpolitik für Großbetriebe
Hamburg. (gpd) Unter Leitung von Agrarindustrieministerin Julia Klöckner hat sich der EU-Agrarministerrat auf eine gemeinsame Position zur GAP-Reform geeinigt. Die ohnehin schon schwache Vorlage der EU-Kommission sei nun bis zur Unkenntlichkeit verwässert, meint Greenpeace.
WWF: EU-Agrarreform Katastrophe für Natur- und Klimaschutz
Berlin. (wwf) WWF Deutschland hält sich nicht lange an der Klientelpolitik für Großbetriebe und Chemiekonzerne auf, sondern richtet seinen Fokus auf die verpassten Chancen im Natur- und Klimaschutz für alle Bürger. Das Artensterben darf weitergehen und die Zukunft künftiger Generationen gefährden.
NABU: Agrarminister erteilen Green Deal eine Kampfansage
Berlin. (nabu) Die Einigung der EU-Agrarminister zur künftigen gemeinsamen Agrarpolitik bewertet der Naturschutzbund Deutschland (NABU) als Armutszeugnis für die Politik.
Bitter: Agrarministerin fährt Chance bewusst an die Wand
Berlin. (heb) Harald Ebner, MdB, Obmann der Grünen im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, kritisiert den Kompromiss im Agrarrat scharf und wirft Ministerin Julia Klöckner vor, den Green Deal bewusst aushebeln zu wollen. Kommissionspräsidentin von der Leyen werde vorgeführt.
Die Grünen: EU-Agrarminister beerdigen den Green Deal
Brüssel / BE. (efa) Mit dem Beschluss des EU-Agrarrats für die künftige Gemeinsame Agrarpolitik ist der groß angekündigte Green Deal beerdigt worden, sagt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament.
Green Deal: Stellungnahme der Agrarministerin
Berlin. (eb) Rückwärtsgewandte Politik ist schlecht für die Bauern und schlecht für die Umwelt. Belohnt wird weiterhin, wer zu billig und zu viel produziert. Julia Klöckner hat einmal mehr gezeigt, wessen Geistes Kind sie ist. Die originale Mitteilung für die Medien aus dem BMEL gibt es hier zum Nachlesen.
Kommentar: Rückwärtsgewandte Klientelpolitik ist schlecht für echte Bauern und schlecht für die Umwelt. Belohnt wird weiterhin, wer zu billig und zu viel produziert. Julia Klöckner hat einmal mehr gezeigt, wessen Geistes Kind sie ist. Nicht, dass das noch irgendwen überraschen könnte – wäre das Ergebnis nicht so traurig für den Umwelt- und den Artenschutz, für künftige Generationen und eine lebenswerte Zukunft. Es gehört schon ziemlich viel Chupze dazu, die politische Breitseite gegen die Ziele der EU-Kommission als «Meilenstein» und «Systemwechsel» zu verkaufen. Alles soll bleiben wie es ist – das ist die Botschaft.
WEITERE THEMEN AUS DIESER RUBRIK FÜR SIE:
- BrotWert: Projekt gegen Lebensmittelverschwendung
- Ernährungsreport 2024: Deutschland, wie es isst
- BZfE passt Ernährungspyramide an
- Biotechnologie: «Unsere Zellen sind echter Fisch»
- Finnland: Über den Brotbelag als Ausdruck der Befindlichkeit
- Uniferm: Fermentation und Frische stehen im Fokus auf der Südback
- Agrarprodukte: Obst und Gemüse verteuern sich weiter
- Too Good To Go: liefert jetzt auch bis an die Haustür
- Lavash, Naan + Co.: Backen Sie doch mal Weltkulturerbe
- Jetzt im Handel: «Gutes aus deutscher Landwirtschaft»
- Forschungsprojekt: Alte Getreide-Landsorten lohnen sich
- Holunderbeeren: Wertvolle Inhaltsstoffe vom Wegesrand
- Fermentieren für Anfänger: Salzmöhren mit Chili
- Produktion von alkoholfreiem Bier mehr als verdoppelt
- BMEL: Der Trend zu Öko setzt sich auf schwächerem Niveau fort
- Trotz gegenteiligem Rat: Ampel verabschiedet Agrarpaket
- Lebensmittelverband: begrüßt Ausbau von lebensmittelwarnung.de
- NRI: Bemühungen der Lebensmittelwirtschaft könnten besser sein
- BMEL: Rechtsgutachten zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen
- DGE: veröffentlicht neue Position zu veganer Ernährung