Samstag, 18. Mai 2024
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Fricopan: Großbäckerei schließt per Ende August

Immekath. (eb) Die geplante Schließung der Fricopan Back GmbH, Tochterunternehmen der schweizerisch-irischen Aryzta AG, ist sowas wie der mediale Super-GAU und trifft den strukturschwachen Altmarkkreis schwer. Seit dem 03. Mai drangen erste Gerüchte durch, dass Fricopan aus wirtschaftlichen Gründen schließen muss. Per Zweizeiler oder Dreizeiler am Schwarzen Brett soll die Belegschaft über die bevorstehende Schließung informiert worden sein. Eine Betriebsversammlung fand am 09. Mai statt. Eine offizielle Mitteilung von der Konzernmutter gibt es bis heute nicht.

Rund 500 Mitarbeitende zählt Fricopan. In besseren Zeiten waren es schon mal 600 Leute. Das heißt nicht, dass die Großbäcker heute die «Rote Laterne» tragen würden. Im Gegenteil: 2015 soll Fricopan das beste Ergebnis der Firmengeschichte eingefahren haben – mit einem Gewinn von 9,33 Millionen Euro vor Steuern. Werden also «wirtschaftliche Gründe» für die Schließung per Ende August genannt, dann ist damit – bei allen Verklausulierungen – vermutlich ein Automatisierungsgrad gemeint, der mit dem in Immekath vorhandenen Equipment nicht mehr zu erreichen ist.

Heute entscheidet die Automatisierung darüber, ob ein Unternehmen noch mithalten kann in einem Markt, der für seinen intensiven Wettbewerb bekannt ist. Einen nach dem Stand der Technik größtmöglichen Automatisierungsgrad findet die Aryzta Bakeries Deutschland GmbH eher im Mansfelder Land vor, wo der Konzern im Rahmen seiner bislang größten Einzelinvestition auf dem deutschen Markt die Produktion deutlich ausbaut / ausgebaut hat. Wir erinnern uns: Die Bauarbeiten in der Lutherstadt Eisleben auf dem Gelände der ehemaligen Klemme AG begannen Mitte 2014 und schon damals wurden Befürchtungen aus dem Kreis Salzwedel laut, der massive Ausbau von Eisleben könnte Arbeitsplätze in Immekath gefährden.

Wir kennen die Statistiken des Deutschen Tiefkühlinstituts und wissen, dass der Markt für TK-Backwaren kontinuierlich wächst. Einerseits findet das Wachstum auf Kosten vieler Handwerksbetriebe statt, deren Zahl kontinuierlich sinkt. Andererseits ist die Produktion von TK-Backwaren stark industrialisiert und der Wettbewerb unter den Großbäckern wird rigoros über den Preis geführt. Das heißt auch: Nur wer möglichst moderne Anlagen mit einem möglichst hohen Automatisierungsgrad betreibt, die mit möglichst wenig Beschäftigten auskommen, ist heute noch wirklich wettbewerbsfähig.

Bei Fricopan fanden in den letzten zehn Jahren keine nennenswerten Investitionen statt. Darüber ist der Tiefkühlbäcker in der Altmark ins Hintertreffen geraten gegenüber den hochmodernen Betrieben der ehemaligen Klemme AG im Mansfelder Land. Dort zählt Aryzta bereits um die 1.700 Beschäftigte und für dieses Jahr werden noch einmal um die 300 Leute gesucht. Man muss kein Hellseher sein um zu verstehen, dass der Standort Immekath unter diesen Umständen keine Chance hat. Wer aus der Altmark nicht ins Mansfelder Land umziehen möchte, dem wird eine Auffanggesellschaft bleiben. Dem Vernehmen nach soll der Betriebsrat bereits am 03. Mai aufgefordert worden sein, einen Sozialplan zu erarbeiten.

Es ist leicht, sich vor Versammlungen zu stellen, zum Kampf um Arbeitsplätze aufzurufen und an die unternehmerische Verantwortung zu appellieren. Allerdings gibt es mehrere Perspektiven, was Verantwortung überhaupt ist und wer sie tatsächlich wahrnimmt. Welche ist die Richtige? Die entscheidende Perspektive ist doch, dass auch ein Global Player auf dem lokalen Markt nur ein Getriebener ist. Wie zu hören ist, hätten sich mehrere Großkunden aus der Altmark zurückgezogen. Da kommt uns gleich der Lebensmittel- Einzelhandel in den Sinn mit seinen jüngsten Investitionen und Ankündigungen. Die Zeiten ändern sich, Gewichte verlagern sich. Einfache Lösungen sucht man vergeblich.

Über Fricopan

Die Fricopan Back GmbH wurde 1992 von Klaus März und Karl-Heinz Bindewald in Garching bei München gegründet. Im September 1994 folgt die Übernahme eines Tiefkühlbetriebs in Berlin-Neukölln. 1996 nahm Fricopan das Werk in Immekath in Betrieb (Stadt Klötze im Altmarkkreis Salzwedel). Drei Jahre später wurde hier ein neuer Verwaltungstrakt und 2000 ein neues Werk fertig gestellt.

Nach der Stilllegung des Werkes Garching im Jahr 2001 wurde die Produktionskapazität auf das Werk in Immekath verlegt. Dieses Werk wurde lange auf dem höchsten technischen Stand gehalten. So wurde zum Beispiel 2002 in Immekath eine noch leistungsfähigere Anlage für gefüllte Baguettes und eine vollautomatische Palettieranlage für den reibungslosen Produktionsablauf angeschafft. Im Herbst 2003 wurde in Immekath ein neues Tiefkühllager mit über 5000 Stellplätzen in Betrieb genommen.

Seit November 2006 gehört Fricopan zu 100 Prozent zur Hiestand Gruppe. Diese fusionierte 2008 mit der IAWS Group PLC und bildet mit dieser seither die Aryzta AG. Mit der schweizerisch-irischen Aryzta AG entstand eines der größten Bäckerei-Unternehmen der Welt. Das Unternehmen ist in Zürich und Dublin börsennotiert, der Umsatz belief sich 2015 auf rund 3,82 Milliarden Euro. Aryzta betreibt über 60 Bäckereien in Europa, Nord- und Südamerika, Asien, Australien und Neuseeland mit insgesamt rund 18.800 Mitarbeitenden (Foto: pixabay.com).
 


Teil der Vorgeschichte:

Klemme AG und Aryzta Bakeries Deutschland verschmelzen (2016-03-23)
Aryzta: baut Produktion im Mansfelder Land deutlich aus (2014-06-10)
Aryzta AG: übernimmt Großbäckerei Klemme (2013-02-21)