Freitag, 26. April 2024

Mohnsaat: Viel Aufregung um (fast) nichts

Karlsruhe. (cvua / eb) Alle Jahre wieder erreicht uns eine Meldung, nach der der Morphingehalt in der von Bäckereien verwendeten Mohnsaat bedenklich hoch sein soll. Was genau «hoch» und/oder «bedenklich» ist, verliert sich dabei – in der Regel – in der zunehmenden Sensibilität der Messgeräte, die den Untersuchungsämtern zur Verfügung stehen. In diesem Jahr ist es das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (CVUA), das Gehalte von Morphin und Thebain in Mohnbrötchen festgestellt hat, die aktuell «so hoch wie nie» seien. Auch das ist nicht wirklich ein Kenngröße, mit der man handeln könnte. Ein paar Seiten weiter klärt das CVUA anhand zweier Szenarien dann selbst auf:

Worst-case-Szenario für die Lebensmittel-Matrix «Brötchen»

(…) Zur Beleuchtung des worst-case-Szenarios, also der Situation im schlechtesten Fall, wurde für das Lebensmittel «Brötchen» der vom CVUA maximal festgestellte Morphin-Gehalt von 200 µg/kg zugrunde gelegt. Das Gewicht dieses Brötchens betrug 85 Gramm, so dass beim Verzehr rechnerisch 17 µg aufgenommen werden. Dies schöpft den ARfD für eine 60 Kilogramm schwere erwachsene Person (10 µg x 60 = 600 µg) zu 2,8 Prozent aus. Es müssten also 35 Brötchen verzehrt werden, um den ARfD-Wert zu erreichen. Dies ist überaus unwahrscheinlich. Aufgrund des geringeren Körpergewichts liegt die Verzehrs-Menge zum Erreichen des ARfD für Kleinkinder viel niedriger. Aber auch ein 15 Kilogramm schweres Kind müsste mehr als neun Brötchen essen, um den ARfD-Wert zu überschreiten.

Worst-case-Szenario für die Lebensmittel-Matrix «Feine Backware mit Mohn»

Wenn man die ermittelten Untersuchungsergebnisse zugrunde legt, ist es für einen Erwachsenen nahezu unmöglich den ARfD-Wert auszuschöpfen. Ein Erwachsener mit 60 Kilogramm Körpergewicht müsste zehn Stück von je 150 Gramm der «Feinen Backware» mit dem höchsten festgestellten Morphingehalt (Mohnstriezel) verzehren. Für ein Kind mit 15 Kilogramm Körpergewicht reichen beim Mohnstriezel dagegen schon 3 Stücke. Zugrunde gelegt wurde auch hier ein Gewicht von 150 g pro Stück Kuchen. Je nach Gewicht des jeweiligen Kuchenstücks kann die Anzahl der Kuchenstücke, die zur Ausschöpfung des ARfD notwendig ist, selbstverständlich stark variieren (…).

Handlungsempfehlung

Vor ziemlich genau zehn Jahren hatten wie das Thema schon einmal (siehe WebBaecker 02/2007). Wahrscheinlich noch früher. Jedenfalls hatte das Backmittelinstitut Berlin/Wien die damalige Diskussion zum Anlass genommen, im «bmi aktuell 03/2006» über «Untersuchungen zur Reduzierung von Morphin in Mohnsamen und Mohngebäcken mit praktikablen technologischen Maßnahmen» zu berichten. Die Autoren Jörg General aus Detmold und Professor Dr. Bärbel Kniel aus Esslingen geben in diesem Bericht zudem Tipps, was Bäckereien tun können, möchten sie den Morphingehalt in ihrer Mohnsaat vorsorglich senken (waschen und/oder dämpfen). Kurzum: Die vom CVUA beanstandete Mohnsaat ist an ihrem Ursprungsort Australien vielleicht nicht ausreichend gewaschen worden. Die Saat ist als Topping für Brötchen oder Füllung für Feine Backwaren zwar kaum geeignet, Verbraucher in einen Rauschzustand zu versetzen. Doch können sich Bäckereien zusätzlich absichern, in dem die Saat je nach Verwendungszweck noch einmal gewaschen oder gedämpft wird. Die beanstandete Mohnsaat ist ausschließlich im Einzugsbereich des CVUA Karlsruhe aufgefallen – weder in Stuttgart noch in Freiburg noch sonstwo in der Republik.

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