Berlin. (zv / eb) Zum Jahreswechsel 2019/2020 beginnt die Belegausgabepflicht: Jeder Kunde des Deutschen Bäckerhandwerks muss dann für jeden noch so kleinen Einkauf einen Beleg erhalten. Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV), erklärt: «Das wird völlig überflüssige Müllberge produzieren.»
Betroffen sind rund 11.000 Betriebe des Deutschen Bäckerhandwerks mit 46.000 festen und 15.000 mobilen Verkaufsstellen. Verbandspräsident Michael Wippler fordert die Finanzverwaltung auf, die gesetzliche Befreiungsvorschrift nicht durch eine zu enge Auslegung faktisch ins Leere laufen zu lassen: «Betriebe des Bäckerhandwerks, die Kassen haben, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, sollten von der Belegausgabepflicht ausgenommen werden.»
Das Gesetz sieht zwar Ausnahmemöglichkeiten vor, diese werden allerdings vom Bundesministerium der Finanzen zu streng ausgelegt, so dass bislang kein Handwerksbäcker eine Befreiung erhalten hat. «Das Bundesfinanzministerium höhlt damit die gesetzlichen Vorschriften aus. Man lässt die Bäcker alleine und im Regen stehen», sagt Wippler.
Schneider erläutert: «Wir reden über Umweltschutz und diskutieren über die Reduktion von Coffee-to-go-Bechern, schaffen dann aber auf der anderen Seite Müllberge aus beschichtetem Papier. Das ist reaktionär und in Zeiten von Fridays for future nicht zeitgemäß.» Neben der wieder einmal unsinnigen Bürokratie droht vor allem der Umwelt Ungemach – durch die geplante Bonausgabe entstehen riesige Abfallberge: Bei durchschnittlich 100.000 Kunden je Verkaufsfiliale ergeben sich über fünf Milliarden Bons aus Papier pro Jahr. Das entspricht nur für das Bäckerhandwerk dem 25-fachen Erdumfang oder der zweieinhalbfachen Wegstrecke Erde-Mond. Dies gilt bei vorsichtiger Schätzung und der Annahme, dass ein Durchschnittsbon rund 20 Zentimeter lang ist. «Jedes Jahr fällt allein im Bäckerhandwerk Müll in dieser gigantischen Größenordnung an, wer soll das verstehen?», fragt Schneider. Und Präsident Michael Wippler erklärt: «Der Anteil der Kunden, die einen Bon brauchen, liegt unter drei Prozent. In Zeiten, in denen unsere Betriebe und die Gesellschaft zunehmend auf Nachhaltigkeit und Abfallvermeidung achten, ist es geradezu unsinnig, wenn für den Kauf von ein paar Brötchen ein Kassenzettel gedruckt werden muss.»
«Hinzu kommt noch der Irrsinn über die vorgeschriebenen technischen Sicherheitseinrichtungen, die nach wie vor auf dem Markt noch nicht verfügbar sind», kritisiert Wippler. «Zudem muss man sich vor Augen halten, wieviel Müll und Bürokratie nun ein kleines Brötchen verursacht, das innerhalb weniger Minuten aufgegessen wird.»
Der gesetzliche Hintergrund
Das gesetzliche Regelwerk sieht in Paragraf 146a Absatz 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) – auch für Bäckereien – eine grundsätzliche Pflicht vor, jedem Kunden einen Beleg über jeden Geschäftsvorfall zur Verfügung zu stellen (sogenannte Belegausgabepflicht). Nach Paragraf 146a Absatz 2 Satz 2 AO können die Finanzbehörden hiervon bei dem Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen nach Paragraf 148 AO aus Zumutbarkeitsgründen nach pflichtgemäßem Ermessen befreien. Weiterhin sind nach Paragraf 148 AO seitens der Finanzämter für einzelne Fälle oder bestimmte Gruppen Erleichterungen möglich, wenn die Einhaltung der durch die Steuergesetze begründeten Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten Härten mit sich bringt und die Besteuerung durch die Erleichterung nicht beeinträchtigt wird.
Schneider: «Nicht ohne Grund hat der Gesetzgeber hier ausdrücklich Befreiungsmöglichkeiten für einzelne Betriebe oder ganze Branchen geschaffen. Das Bundesfinanzministerium hat jedoch eine Anweisung an die Finanzbehörden im Bundesgebiet herausgegeben, durch die diese Befreiungsvorschriften praktisch leerlaufen. Die Betriebe des Bäckerhandwerks verkaufen klassischerweise, wie vom Gesetzgeber für eine Befreiung gefordert, ihre Waren an eine Vielzahl von unbekannten Kunden. Wenn den Betrieben eine Ausnahme von der Belegausgabepflicht gewährt wird, wird die Besteuerung in keiner Weise beeinträchtigt, weil die Kassen, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, alle Zahlvorgänge lückenlos und manipulationssicher aufzeichnen.»
Nachschlag vom WebBaecker – Kommentar
Bäcker-Präsident Michael Wippler und ZV-Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider legen sich ins Zeug, wie es die rund 11.000 Betriebe des Deutschen Bäckerhandwerks wohl erwarten. Andererseits: Auch in Zeiten von «Fridays for Future» blicken die Menschen nicht nur auf die Umweltthemen, sondern haben nach wie vor ein feines Gespür für Steuergerechtigkeit und Steuerhinterzieher. Gerade der Umstand, dass die 46.000 festen und 15.000 mobilen Verkaufsstellen des Bäckerhandwerks im Bargeld-intensiven Geschäft unterwegs sind und auf viel Laufkundschaft treffen, hat zur Belegpflicht geführt.
Damit versucht der Gesetzgeber die Geldströme einzudämmen, die in verschiedenen Branchen links und rechts neben den Kassen vorbeifließen. Beschweren muss man sich also nicht beim Gesetzgeber, sondern bei den schwarzen Schafen, die bislang jede Lücke für sich zu nutzen verstehen. Nicht der Gesetzgeber, sondern die wenigen schwarzen Schafe haben es geschafft, ganze Branchen unter Generalverdacht zu stellen.
Die Belegpflicht wird zunächst bleiben. Nicht nur die Finanzämter werden künftig mit großem Interesse verfolgen, wie sich die Umsätze entwickeln. Erst, wenn sich ein nahezu realistisches Bild abzeichnet, wird man – möglicherweise – hier und da Erleichterungen schaffen. Dafür braucht es ein paar Jahre zum Vergleich.
Bis dahin gibt es vielleicht Bon-Drucker, die nicht auf beschichtetes Papier angewiesen sind. So wie früher, als die Bon-Rollen noch aus Fasern und Altpapier bestanden. Wahrscheinlicher wird sein, dass der bargeldlose Zahlungsverkehr an Dynamik gewinnt und die Leute ihre Bons künftig auf dem Smartphone speichern. Jeder bargeldlose Einkauf käme dann der Umwelt zugute. Nicht nur das: Jeder bargeldlose Einkauf wäre zudem ein kleiner Schritt hin zur bargeldlosen Gesellschaft – wie sie in mehreren europäischen Ländern bereits nahezu üblich ist – und worauf auch das bundesdeutsche Finanzministerium seit Jahren hofft und spekuliert – meint Ihre Ute Speer.
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