Hamburg. (eb) In Bezug auf die Kampagne «Topf Secret» von Foodwatch Deutschland und FragDenStaat werden in den kommenden Wochen – zweifellos – immer mehr abgeschlossene Anfragen im Internet auftauchen. FragDenStaat.de ist ein Projekt der Open Knowledge Foundation Deutschland (OKFN). Bei deren Geschäftsführerin Nadine Evers sind wir mehr zufällig gelandet im Zuge unserer Recherche nach der «Qualität der Anfragen und der Antworten aus Deutschlands Behörden, denen die lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen obliegen».
Wie die öffentliche Resonanz nahelegt, die mittlerweile ziemlich ausufernden Anträge auf fragdenstaat.de beweisen und OKFN-Geschäftsführerin Evers bestätigt, geht die Kampagne gerade «ziemlich durch die Decke». Die Behörden kommen ob der Antragsflut kaum noch hinterher. Wurde ein Antrag tatsächlich schon komplett abgearbeitet und überhaupt ein mehr oder weniger gravierender Missstand dokumentiert, dann sind die personenbezogenen Daten geschwärzt. Dafür gibt es nicht nur schwarze Filzmarker auf Papier, sondern auch entsprechende Tools im Internet. Die Veröffentlichungen werden also kaum zu beanstanden sein – sofern es überhaupt dazu kommt.
Quantität beeindruckend, Qualität nicht immer
Während die Masse der Anfragen durchweg beeindruckend ist, ist es die Qualität nicht immer: Anonyme Anfragen machen keinen Sinn. Wer von seiner Informationsfreiheit Gebrauch machen will, muss dazu stehen können. Nicht zuletzt benötigen Behörden die Kommunikationsdaten von Antragstellern, um ihnen zum Beispiel mitzuteilen, dass der angefragte Betrieb Widerspruch eingelegt hat. Neugierige Zeitgenossen sollten auch nicht den Bäcker Irgendwo im Nirgendwo suchen, sondern Name und Adresse des Betriebs, zu dem sie einen Kontrollbericht anfordern, korrekt angeben können. Kurzum: Wer erwartet, dass ihm gewissenhaft erhobene Daten ausgehändigt werden, der sollte wenigstens in der Lage sein, ein Formular korrekt auszufüllen.
Noch ist es viel zu früh, um ein Urteil abzugeben über die Qualität des Projekterfolgs. Es sieht aber so aus, als bliebe ein messbarer Teil von Anfragen auf der Strecke, weil sie nur unvollständig formuliert sind und gar nicht abschließend bearbeitet werden können. Das ist ärgerlich, hilft (a) den kooperativen Behörden nicht und (b) dürften sich auch die Projektpartner Foodwatch und FragDenStaat.de wenig über dieses «Spamming» freuen.
Bäcker sind die letzten, die sich sorgen müssen
Die Masse von Verbraucher-Anfragen an «Topf Secret» ist zweifellos beeindruckend. Allerdings bleibt abzuwarten, was im Ergebnis dabei herauskommt. Hinzu kommt, dass nicht «der» Brunner-Bäcker, «der» LilaBäcker oder «der» Bäcker Görtz abgefragt werden, sondern jede Filiale einzeln. Das heißt in Zahlen: Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks rechnen wir aktuell noch mit 11.347 Betrieben, die rund 35.000 Filialen bewirtschaften. In der Summe sind das 46.000 Verkaufsstellen, die früher oder später auf «Topf Secret» auftauchen könnten – rein theoretisch.
Die Filialen der bundesweiten Systemgastronomie zählen wir jetzt nicht zusammen. Wie viele Filialen bewirtschaftet das Fleischerhandwerk? Der Backwaren- oder Gemüsehandel? Der Lebensmittel- Einzelhandel? Richtig! Jede einzelne Lidl-, Aldi- oder Edeka-Filiale kann bei «Topf Secret» auftauchen, sofern Antragsteller Manns genug und in der Lage sind, Formulare richtig auszufüllen. Mal sehen, was daraus wird.
Bäckereien sind übrigens die letzten, die sich wegen «Topf Secret» einen Kopf machen müssen. Bei den vielen tausend Anfragen im System haben wir (Stand 2019-01-30) bundesweit gerade mal 170 Anträge gefunden, die Bäckereien betreffen.
Die Botschaft ist nicht zu unterschätzen
Die Botschaft, die tausende Verbraucher über «Topf Secret» aussenden, ist dennoch nicht zu unterschätzen. Falsch verstandene Klientelpolitik aus welcher Ecke auch immer, auf Landes- und Bundesebene haben dazu geführt, dass die Menschen im Land den zuständigen Behörden zunehmend misstrauen und überall einen Klüngel vermuten. Verbraucher sind nicht dumm. Je länger sie jedoch dafür gehalten werden, desto gereizter werden sie reagieren. Irgendwann ist der Bogen überspannt und das Vertrauen dahin. Wer also beim Thema Lebensmittelkennzeichnung gerne mal von der «Verantwortung mündiger Bürger» spricht, der hat mit Blick auf die Ergebnisse von Hygienekontrollen in Lebensmittel verarbeitenden Betrieben ausreichend Gelegenheit, irrationale Befürchtungen abzulegen und mit gutem Beispiel voranzugehen.
Andererseits gibt es schon heute viele Betriebe, die gegen die Veröffentlichung von Kontrollberichten überhaupt nichts einzuwenden haben und diese gerne als Marketinginstrumente in eigener Sache verwenden möchten. Sie wissen nur nicht wie, weil ihnen die Klientelpolitik kein System an die Hand gibt, mit dem sie sich vergleichbar darstellen könnten. Die weit überwiegende Zahl der Betriebe in Deutschland arbeitet korrekt, ohne Beanstandung und wartet nur darauf, sich endlich von einem Generalverdacht befreien zu dürfen, der ihnen von einer Handvoll schwarzer Schafe eingebrockt wurde. Bremser und Bedenkenträger nicht zu vergessen (Foto: pixabay.com).
Fundsache: Anhörung zum «Hygiene-Smiley oder ähnlich …»
Berlin. (bund) In den Ausschuss-Protokollen des Deutschen Bundestags findet sich ein Hinweis, der darauf hindeutet, dass nach diversen Absichtserklärungen in das Thema «bundeseinheitliche Hygienekontrollen» endlich Bewegung kommt (AZ hib 107/2019). Die Notiz liest sich wie folgt:
Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft des Deutschen Bundestags hat in dieser Woche einstimmig beschlossen, eine öffentliche Anhörung zu Informationspflichten bei Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheit durchzuführen. Die Sitzung findet am Montag, den 18. Februar 2019, ab 12:30 Uhr statt und soll zwei Stunden dauern. Insgesamt neun Sachverständige sollen über das Thema Auskunft geben. Grundlage der Anhörung sind ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (19/4726), ein von der Fraktion Die Linke vorgelegter Antrag (19/4830) und ein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angekündigter Antrag zu Transparenz bei Lebensmittelkontrollen.
Die Bundesregierung strebt eine Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches an, damit künftig die Behörden die Verbraucher über festgestellte Verstöße gegen die Lebensmittelsicherheit informieren können. Der Entwurf soll eine rechtssichere Veröffentlichung von festgestellten Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheit ermöglichen und eine für alle Bundesländer einheitlich anwendbare Regelung festschreiben. Die Linke fordert die Bundesregierung auf, eine ausreichende Rechtsgrundlage auf Basis des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) und des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) zur Auskunftspflicht von Behörden über Verstöße von Unternehmen gegen lebensmittel- oder futtermittelrechtliche Vorschriften zu schaffen. Darüber hinaus soll die bundesweit einheitliche Einführung des «Hygiene-Smileys» oder eines vergleichbaren Symbols zur Kennzeichnung aktueller Kontrollergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung in den Betrieben ermöglicht werden.
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