Bonn. (bzfe / eb) Diabetes und chronische Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind seit vielen Jahren ganz oben in der Leidensstatistik zu finden. Vor allem solche Erkrankungen, die fett-induziert sind, werden in den USA intensiv erforscht. Eine heiße Spur führte jüngst Wissenschaftler der Agrarfakultät in Illinois ausgerechnet in Kaffeeanbaugebiete, schreibt das BZfE Bundeszentrum für Ernährung aus Bonn.
Nach der Ernte der Kaffeebeeren werden Schale und Silberhäute entfernt, welche die Bohne zuvor umschließen. Diese Erntereste verbleiben häufig ungenutzt auf der Plantage und dienen allenfalls als Gründünger, wo sie durch Fäulnisprozesse nicht selten Probleme bereiten. «Viel zu wertvoll» befanden nun die Wissenschaftler. Denn in den Schalen stecken offenbar kostbare bioaktive Substanzen, die sich gegen fett-induzierte entzündliche Prozesse einsetzen ließen, die Glukose-Aufnahme und die Insulin-Sensitivität verbessern. Zumindest legen dies erste Experimente mit Mäusen nahe. Ein Hoffnungsschimmer im Kampf gegen durch Übergewicht verursachte chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen?
Das Team untersuchte verschiedene andere pflanzliche Substanzen, doch die Rückstände aus Kaffeeschalen seien besonders vielversprechend, da sie nicht toxisch wirkten und zudem ein hohes antioxidatives Potenzial besäßen, so Elvira Gonzalez de Mejia, Professorin der Lebensmittelwissenschaften. Die phenolischen Wirkstoffe aus den Kaffeeschalen bewirkten eine verminderte Fetteinlagerung in den Zellen, indem sie die Lipolyse – die Aufspaltung von Fetten – beförderten.
Chronische Erkrankungen entstehen dort, wo auf Zellebene teufelskreisähnliche Prozesse ablaufen: wie ein Perpetuum mobile greifen die Stoffwechselprozesse von Makrophagen, die sich um die entzündlichen Prozesse «kümmern», und der von Fettzellen ineinander – sozusagen in «Dauerschleife». Ziel der Wissenschaftler ist es also, diese Schleife zu unterbrechen und chronische Erkrankungen zu unterbinden. Sie versuchen, die entzündlichen Prozesse zu hemmen und gleichzeitig die Glukoseaufnahme zu vereinfachen und gesunde Zellen zur ausreichenden Insulinproduktion zu erhalten.
Die Ergebnisse sind nicht nur im Hinblick auf den gesundheitlichen Effekt interessant, die Nutzung der Nebenprodukte könnte auch als zusätzliche Einkommensquelle für die Kaffeebauern dienen, zitiert das BZfE die US-amerikanischen Forscher – die leider im Dunkeln lassen, woher sie den heißen Tipp mit der Kaffeebeere haben. Gerne helfen wir ihnen mit einer kleinen Geschichte weiter, die aufmerksame Zeitgenossen schon vor mehreren Jahren an dieser Stelle lesen konnten. Die geht so:
Was wir beim Kaffee von der Kartoffel lernen können
Wer in der Schule bei Geschichte und Ernährungslehre gut aufgepasst hat weiß, dass die Liebe zur Kartoffel in Deutschland eine Liebe auf den zweiten Blick ist: Ihr Ursprung liegt in den Anden Südamerikas. Im 16. Jahrhundert fand sie ihren Weg nach Europa, wo die Knolle zunächst als kostbare Zierpflanze galt. Die Beeren, die sich aus den Blüten der Kartoffelpflanze entwickeln, sind leicht giftig. Das ist der Grund, weshalb sich die Bauernschaft hierzulande – trotz der vielen Hungersnöte – zunächst strikt weigerte, Kartoffeln anzubauen. Es dauerte, bis die Menschen verstanden, dass sie nicht die Beeren, sondern die Knollen verzehren sollten – nicht roh, sondern gegart. Daran, dass sich der Kartoffelanbau in Deutschland nachhaltig durchsetzen konnte, hat König Friedrich II. von Preußen mit seinem Kartoffelbefehl von 1756 entscheidenden Anteil. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts ist die Kartoffel hierzulande eines der wichtigsten Lebensmittel.
Im 17. Jahrhundert kam der Kaffee nach Europa. Venezianische Kaufleute hatten ihn für sich entdeckt, machten ihn populär und spätestens 1697 eröffnete in Bremen das erste Kaffeehaus. Wobei «der Kaffee», so wie wir ihn kennen, quasi schon mit fertiger Gebrauchsanweisung nach Europa kam: Kaffeekirsche ernten, trocknen, Reste des Fruchtfleischs entfernen, Kaffeebohne rösten, mit heißem Wasser aufgießen, fertig.
Oder um die Geschichte anders herum zu erzählen: Als die spanischen Eroberer bei den Inkas Südamerika den Wert der Kartoffel erkannten, nahmen sie nur die Pflanze mit und vergaßen die Gebrauchsanweisung. Das hatte zur Folge, dass eine unserer wertvollsten Kulturpflanzen hierzulande zunächst ein eher nutzloses Dasein fristete, bevor ihr Potenzial erkannt und zur Entfaltung gebracht werden konnte. Beim Kaffee hingegen variieren wir immer noch ziemlich einfallslos die eine Gebrauchsanleitung, die uns die Venezianer im Barock und die Türken bei der Belagerung Wiens an die Hand gegeben haben.
Es lohnt sich, die Überlieferung von den abessinischen Hirten genauer zu lesen. Das ist die Geschichte, die oft herangezogen wird, will man die Entdeckung von Koffein und seiner Wirkung kulturgeschichtlich zuordnen. Mit einfachen Worten geht die Geschichte so: Äthiopische Hirten in der Region Kaffa beobachteten ihre Ziegen, wie sie Beeren von einem bestimmten Strauch fraßen und danach ziemlich aufgedreht waren. Also probierten auch die Hirten vom Strauch, empfanden die Frucht jedoch als ungenießbar und warfen den Rest ins Lagerfeuer, worauf sich bald ein angenehmer Kaffeeduft entfaltete. Gemeinsam mit Mönchen entwickelten sie daraufhin ein Verfahren, wie man die Früchte systematisch erntet, trocknet, die Reste des Fruchtfleischs entfernt, die Bohnen röstet, mit heißem Wasser aufgießt, fertig.
Von Äthiopien aus gelangte der Kaffee Jahrhunderte später, ungefähr ab dem 14. Jahrhundert, auf die Arabische Halbinsel und von dort im 17. Jahrhundert nach Europa. Über die Verwendung des Fruchtfleischs, das die abessinischen Ziegen in der Region Kaffa wie wild hatte herumtollen lassen, machte man sich nie wieder Gedanken. Man hatte ja den Kaffee erfunden. Heute – in Zeiten, in denen uns Zug um Zug bewusst wird, wie endlich unsere Ressourcen sind – denken wir mehr über Nachhaltigkeit nach. Bastian Muschke und Bastian Senger aus Hamburg haben bereits vor mehreren Jahren darüber nachgedacht, ob es «das» mit der Kaffeebohne schon war oder ob da noch mehr geht, nämlich mit dem Fruchtfleisch der Kaffeekirsche.
Zwei junge Geschäftsleute, die in der Essenz ein völlig neues Erfrischungsgetränk entwickelt haben auf Basis der Kaffeefrucht. Das ist zwar nur Limonade. Doch die ist, mit einfachen Worten, nichts anderes als ein mit Kohlensäure versetzter Aufguss getrockneten Kaffee-Fruchtfleischs. Wie Tee, nur mit Kohlensäure. Kaffee-Tee. «Ka-Tee». Oder um es mit dem Markennamen zu sagen: «Caté».
Für den Slogan «Gut tut besser» haben Muschke und Senger ebenfalls gute Gründe: Die Kaffeefrucht gehöre nicht umsonst zu den Superfoods, lesen wir seit Jahren auf cate-original.com. Ihr Fruchtfleisch enthält jede Menge wertvolle Vitamine, Antioxidantien und natürliches Koffein – mehr sogar als die gerösteten Kaffeebohnen. Und das macht «Caté» so koffeintensiv: Es wirkt stark wie zwei Espresso und nachhaltig wie Grüntee.
Da sollte es sich von selbst verstehen, dass sich auch die Wissenschaft des Superfoods Kaffee annimmt und bei dieser Gelegenheit – Anno 2019 – traditionelles Ernährungswissen zwar nicht neu, dafür aber immerhin wieder entdeckt (Fotos: pixabay.com).
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