Bonn. (23.01. / vdm) Im Rahmen der Vorbereitung einer Agrarreform unter dem Titel «Agrar-Gesundheits-Check» will die EU-Kommission prüfen, welche Anpassungen der gemeinsamen Agrarpolitik notwendig sind (vgl. WebBaecker 48/2007). Die Mühlenwirtschaft nimmt zum vorliegenden Diskussionspapier wie folgt Stellung:
Rahmendaten: Die Getreidenachfrage für Lebensmittel und Futtermittel ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Diese Entwicklung wird sich weiter fortsetzen. Die landwirtschaftliche Produktion konnte mit der Nachfrageentwicklung nicht Schritt halten, so dass sich die Bestände auf ein dramatisches Niveau verringert haben. Hinzu kommt ein steigender Verbrauchsanteil für die energetische Verwendung (Agro-Kraftstoffe, Biogas, etc.). Die Landwirtschaft in Europa muss die Getreideproduktion signifikant steigern, um die Nachfrage befriedigen zu können. Hierzu ist ein politischer Rahmen notwendig, in dem Landwirte auf Marktsignale reagieren können, was zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft und der in der Wertschöpfungskette nachgelagerten Bereichen führt. Mit der weiterführenden Entkopplung der Zahlungen von der Produktion schlägt Europa den richtigen Weg ein. Die Vereinfachung der Betriebsprämienregelung und der Cross-Compliance-Regelung führt zu einem Abbau der Bürokratie, was grundlegend zu begrüßen ist.
Abschaffung der Flächenstilllegung: Der Vorschlag der EU-Kommission, die obligatorische Flächenstilllegung zu beenden, stimmt die Müllerei vorbehaltlos zu; dies entspricht einer Forderung der Branche. Das Flächenpotential in der EU muss voll ausgeschöpft werden, da sich die Rahmendaten grundlegend geändert haben. Zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Futtermitteln ist die Abschaffung der obligatorischen Flächenstilllegung zwingend.
Intervention: In Zeiten von Überproduktion und Exportbeschränkungen hatte die Intervention von Getreide als Preissicherungsinstrument für die Landwirtschaft eine gewisse Berechtigung. Mit der nachhaltigen Steigerung der weltweiten Nachfrage für Lebensmittel und Futtermittel sowie der zusätzlichen geförderten Möglichkeit der energetischen Verwendung hat sich dies grundlegend geändert. Mit einem Unterschreiten der momentanen Interventionspreise durch den Marktpreis ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Deshalb begrüßt die Müllerei die Überlegungen der EU-Kommission, nach der Roggen- und der Mais-Intervention nun auch die Intervention an Gerste abzuschaffen. Landwirte werden ihre Anbauentscheidung bei steigendem Verbrauch nachfrageorientiert treffen, der Preis ergibt sich durch Angebot und Nachfrage.
Wir sprechen uns jedoch auch für die Abschaffung der Intervention von Weizen aus. Die Notwendigkeit eines Sicherheitsnetzes ist auch hier nicht mehr gegeben. Durch die Beschränkung auf eine Getreideart (Brotweizen, bread-making wheat), wie dies im Diskussionspapier vorgeschlagen wurde, käme es zu erheblichen Marktungleichgewichten. Preissicherungsinstrumente, zum Beispiel an den Warenterminbörsen, würden nicht funktionieren, wenn die Märkte gespalten sind. Die erhoffte Funktion eines Leit-Getreide könnte Weizen soweit nicht erfüllen. Die Müllerei als wichtigste Brotgetreideverarbeiter würde somit gegenüber allen anderen Branchen deutlicht benachteiligt.
Bioenergie und Energiepflanzenprämie: Der «Fahrplan für erneuerbare Energien» setzt verbindliche Ziele für den Anteil von Agro-Kraftstoffen (zehn Prozent) und erneuerbare Energien (20 Prozent) am Gesamtkraftstoff- und Energieverbrauch. Durch die Subventionen für erneuerbare Energien hat sich für die Landwirtschaft ein neues Absatzfeld erschlossen. Auswirkungen auf die Ernährungswirtschaft und speziell auf die Müllerei wurden nur in einem ungenügenden Maß bei der Ausgestaltung der Ziele berücksichtigt. Die derzeitig verfügbaren und geförderten Agro-Kraftstoffe werden außerdem dem Ziel der Klimaneutralität und der Nachhaltigkeit nicht gerecht. Es darf nicht zu negativen Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung und die Ökologie kommen! Die Erzeugung von Lebensmitteln und Futtermitteln muss die wichtigste Aufgabe der Landwirtschaft bleiben.
Die Abschaffung der Energiepflanzenprämie ist zwingend erforderlich. Durch Zahlungen für den Anbau von Energiepflanzen auf nicht stillgelegten Flächen verschärft sich die Konkurrenz um begrenzte Ackerflächen und damit um Rohstoffe. Angesichts der nachhaltig gestiegenen Marktpreise für Agrarprodukte ist diese Subventionierung unnötig. Die landwirtschaftliche Flächennutzung (Nahrungsmittel oder Energie) muss sich allein aus der Nachfrage ableiten. Auch andere Förderungen, zum Beispiel die Direktzahlungen, sollten überprüft werden, um Überkompensationen zu vermeiden. |