Köln. (14.05. / eb) «Wallraff über Weinzheimer: einfach nur vergaloppiert?» hieß es vergangene Woche an dieser Stelle. Schließlich gilt die Unschuldsvermutung im Zweifel für den Angeklagten -- bis das Gegenteil bewiesen ist. Oder bis die Fülle an Hinweisen die Vermutung nahelegt, dass was dran ist an den Um- und Zuständen, die Günter Wallraff über die Gebrüder Weinzheimer Brotfabrik in Stromberg recherchierte. Einen Monat lang hatte Wallraff als verdeckter Reporter und Niedriglöhner in der Großbäckerei gearbeitet. Gebacken wird dort hauptsächlich für Lidl und unter unwürdigen Bedingungen, wie Wallraff in der «Zeit», vom 30. April schrieb.
In den zwei Wochen, die seither vergangen sind, ist viel passiert: Wie das Unternehmen in Stromberg mitteilt, werden alle Beschäftigten rückwirkend zum 01. Mai «übertariflich bezahlt». Zugleich entschuldigte sich der Geschäftsführer des Unternehmens, Bernd Westerhorstmann, für Fehler in der Vergangenheit. Er bedauere auch, dass der Discounter Lidl als einer der größten Kunden des Unternehmens durch Medienberichte in ein falsches Licht gerückt worden sei. Sanfter Druck aus der Neckarsulmer Diskonter-Zentrale hat wohl zur Kurskorrektur beigetragen. Indes dauern die Ermittlungen gegen das Unternehmen an. «Wir ermitteln wegen des Verdachts auf lebensmittelrechtliche Verstöße, auf fahrlässige Körperverletzung und der versuchten Nötigung», sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Jürgen Brauer in Bad Kreuznach.
Zudem strahlte die ARD in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch die 30-minütige Reportage «Günter Wallraff undercover: Wo Arbeit weh tut» aus. Einen Videoclip zum Herunterladen gibt es leider nicht. Dafür nahmen sich «Tagesthemen» und «Nachtmagazin» zusätzlich des Themas an. Die dazugehörenden Clips sind dort im Archiv zu finden. Der Schimmelbefall, der in den Aufnahmen an Wänden und Maschinen eindeutig zu erkennen ist, ist entsetzlich. Man könnte meinen, dass hier nicht nur die rheinland-pfälzische Lebensmittelkontrolle versagt hat. Schließlich ist die Großbäckerei nach IFS und HACCP zertifiziert -- was weitere Fragen aufwirft, denn: Wie ist die Arbeit «unabhängiger Sachverständiger» zu bewerten, die angeblich mehrfach «unangemeldete Audits zur Qualitätssicherung» durchgeführt haben?
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