Königswinter. (15.02. / shb) Im Folgenden geht es um ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm zur Klage einer Arbeitnehmerin wegen rechtswidriger Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts durch Videoüberwachung am Arbeitsplatz. Zur Vorgeschichte: Aufgeschreckt durch die zunehmenden Einbrüche in seinen Bäckerei-Filialen hatte der Bäckerei-Inhaber das Angebot wahrgenommen, sich durch den Kooperationspartner der SHB Allgemeinen Versicherung VVaG - ESU Control GmbH - in Sicherheitsfragen beraten zu lassen. Dabei verfolgte der Bäcker folgende Ziele:
- Abschreckung potentieller Täter durch den offenen Hinweis (Schild) auf Videotechnik an der Eingangstür.
- Schutz der Mitarbeiter/innen.
- Im Fall des Falles schnelle Identifizierung des Täters, damit die Arbeit der Polizei erleichtert wird.
- Vollständige Alarmabsicherung der Filialen in den Nachtstunden.
- Minderung der Schadenquote und damit Stabilität der Versicherungsprämie.
Das Ergebnis der Gespräche war der Einsatz einer Videoanlage, die auf die 24-Stunden besetzte Notruf-Service-Leitstelle von ESU Control aufgeschaltet wurde. Bei Bedarf kann die Geschäftsführung auch auf die Bilder zurück greifen, um Warenauslagen auf Vollständigkeit zu überprüfen. Die Mitarbeiter/innen wurden umfassend über die Ziele der Unternehmensleitung informiert mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass eine Überprüfung der Arbeitsleistung nicht stattfindet. Im Übrigen wird nur der Verkaufsraum und nicht die anderen Räumlichkeiten von dem Videosystem erfasst.
Ungeachtet dessen sah die Klägerin - Bäckereiverkäuferin - eine rechtswidrige Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts gegeben mit der Begründung der überwachenden Funktion der Anlage.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit dem Hinweis auf die Zulässigkeit des Eingriffs gemäß § 6 b Bundesdatenschutzgesetz. Auch die Revision beim Landesarbeitsgericht Hamm hatte keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht Hamm argumentiert, dass «die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig ist, soweit dies zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen».
Beim Verkaufsraum einer Bäckereifiliale handelt es sich grundsätzlich um einen öffentlich zugänglichen Raum im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes.
Die Videoüberwachung war sowohl zur Wahrnehmung des Hausrechts als auch zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich. Zur Wahrnehmung des Hausrechts zählen auch präventive Maßnahmen. Dazu gehören die Vermeidung von Diebstählen, Sachbeschädigungen und Störungen.
Diese schutzwürdigen Interessen des Bäckers (Beklagter) überwiegen die Interessen der Arbeitnehmerin (Klägerin).
Auch würdigt das Gericht die Tatsache, dass sich der Bäcker von einer Spezialfirma - in diesem Falle die ESU Control GmbH - hat beraten lassen.
Wolfgang Fröhlich, Vorstandsvorsitzender der SHB Allgemeinen Versicherung VVaG in Königswinter: «Ein wegweisendes Urteil. Videoüberwachung ist zulässig, wenn richtig beraten, richtig eingesetzt und die Mitarbeiter/innen integriert werden. Doch Vorsicht: Bei aller positiven Beurteilung des Urteils ist das Thema Videoüberwachung kein Freibrief. Permanent muss darauf geachtet werden, dass die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter/innen nicht eingeschränkt werden».
Info: Die vollständige Begründung des LAG Hamm (AZ 12 Sa 641/12) finden Interessenten auf dem WebBaecker-Server im Format PDF zum Download vor (zehn Seiten; 2.721 KB).
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