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Provinzposse: "Die Mauer muss weg"

H a n n o v e r. (08.03.2002 / haz) Unglaubliches spielt sich in Niedersachsens Landeshauptstadt ab: Bei einer Betriebskontrolle durch die Gewerbeaufsicht in einer Filiale der Bäckerei Göing trafen die Beamten "zwei Personen stehend und drei Personen sitzend beim Verzehr von Kaffee und Brötchen" an. Schockierend!

So heißt es in einem amtlichen Schreiben an Bäckermeister Friedrich Göing aus dem vergangenen Jahr. Der hatte vor sieben Jahren angefangen, in seinen 35 Läden an den Stehtischen "Hockhilfen" aufzustellen. Genau 14 Zentimeter breit, 70 Zentimeter hoch und insgesamt 60.000 Mark teuer. "Damit man beim Brötchen eine halbe Pobacke zur Ruhe bringen kann."

Die kleinen Bänke haben jetzt ein großes Nachspiel. Denn in den Augen der Stadt gelten sie als "Sitzgelegenheiten". Und rechtlich verwandeln sie die Bäckerläden damit in Gaststätten. Diese müssen jedoch nicht nur genehmigt werden, sondern -- anders als Bäckereien -- auch mit Toiletten für Gäste ausgestattet sein. Schließlich seien Göings Hockhilfen "Einrichtungen, die eine wesentliche Verlagerung des Körpergewichtes von den Beinen auf das Gesäß ermöglichen", moniert die Stadt. "In Ihrem Betrieb ist es ohne Probleme möglich, sich richtig zu setzen", echauffieren sich die Ordnungshüter -- ein unhaltbarer Zustand. Zulässig sei nämlich nur ein direkt an die Wand montiertes Rückenpolster zum Anlehnen, "100 Zentimeter über dem Boden und fünf bis zehn Zentimeter stark". Inklusive Polsterung, wohlgemerkt. Für den Fall, dass die Bänke nicht umgehend verschwinden sollten, schrieb die Stadt noch etwas von Untersagungsverfahren, Bußgeld und Zwangsmitteln. "Wir müssen schließlich die Rechtslage beachten", erklärt Ralf Hirtz vom Ordnungsamt. "Unglaublich", schimpft Bäcker Göing, der seitdem bereits knapp die Hälfte seiner 120 Hockhilfen wieder demontiert hat. Zumal die Stadt jetzt erneut kontrollierte -- seine Filiale in der Seelhorststraße: "Jetzt soll ich auch noch eine Mauer vor dem Haus abreißen, weil die Leute sich dort hinsetzen könnten", sagt der Bäcker aufgebracht.

Die Kunden seien empört, die Umsätze gingen ohne Hockhilfen zurück, und drei Brötchenschmier-Kräfte habe er bereits entlassen müssen. Vor kurzem beschloss Göing, nicht länger kleine Brötchen zu backen und klebte auf seine Stehtische die Schreiben der Behörden -- als stumme Anklage. Eines davon las der Landtagsabgeordnete Bernd Althusmann, der postwendend die Landesregierung einschaltete. Wirtschaftsministerin Susanne Knorre solle den "Übereifer der Beamten" bremsen und die "Tragikomödie" beenden. Althusmanns düstere Vermutung: "Offenbar hat die hannoversche Gewerbeaufsicht noch erhebliche Personalkapazitäten." (aus: Hannoversche Allgemeine Zeitung; http://www.haz.de)


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