Dienstag, 19. März 2024

OLG: Mit »Klimaneutralität« wissen Verbraucher umzugehen

München. (cp / eb) Das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) hat Ende Juni die Verwendbarkeit des Begriffs «klimaneutral» in Werbeaussagen von Unternehmen bestätigt. Das OLG-Urteil 6.U.46/21 gilt für die Climate Partner GmbH als richtungweisend: Es erkennt an, dass vor allem an Umweltaussagen interessierte Verbraucher (m/w/d) durchaus Wissen und Verständnis darüber haben, was Klimaneutralität bedeutet und die ausgeglichene Emissionsbilanz durch Kompensationsmaßnahmen erzielt werden kann.

Anders als in dem nicht klar definierten Begriff «umweltfreundlich» steckt in dem Begriff «klimaneutral» eine klare und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare Aussage darüber, dass ein Produkt eine ausgeglichene, also neutrale CO2-Bilanz aufweist. Das Gericht sieht es bei Verbrauchern (m/w/d) als allgemein verstanden an, dass kommerzielle Produkte nicht ohne jeden CO2-Ausstoß hergestellt werden können und es keine emissionsfreien Produkte gibt.

In aller Eindeutigkeit hält das Gericht ein Missverständnis darüber erst recht dann für ausgeschlossen, wenn die Aussage der Klimaneutralität von einem hinweisenden Label begleitet wird, welches auch die Klimaneutralität durch Kompensation zusätzlich hinweist und Informationen zu Klimaschutzprojekten bereithält, mit deren Unterstützung schließlich der Ausgleich stattgefunden hat. Das OLG Schleswig führt in seinem Leitsatz vom 30. Juni 2022 aus: «Die Werbeaussage «klimaneutral» für eine Ware ist nicht per se irreführend. Das gilt erst recht, wenn zugleich darauf hingewiesen wird, dass die Klimaneutralität durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird.»

Moritz Lehmkuhl, CEO und Gründer der ClimatePartner GmbH, sieht das Urteil als Bestätigung dafür, dass das Bewusstsein für Klimaschutz und den Bedarf für mehr klimafreundliche Produkte heute fest etabliert ist: «Das Gericht erkennt an, dass einerseits das Verbraucherbewusstsein hoch genug ist, um die mit Klimaneutralität verbundene Systematik des Emissionsausgleichs zu verstehen. Andererseits bekräftigt es die Notwendigkeit transparenter Kennzeichnungen, wie sie unser Klimaneutral-Label darstellt.»

Das im Label integrierte ID-Tracking ermöglicht es Unternehmen, umfangreiche weiterführende Informationen zu deren Klimaschutzaktivitäten zu liefern und somit bestmögliche Transparenz zu bieten. Die Richter entkräften mit ihrer Entscheidung damit auch jene Kritik, die sich gegen das Konzept der Klimaneutralität im Grundsätzlichen und die Aussagekraft von entsprechenden Labeln richtet.

Moritz Lehmkuhl: «Wir sehen das Gerichtsurteil als Bestätigung und Ermutigung für alle die Unternehmen, die schon heute im Klimaschutz aktiv sind. Für sie ist es ein wichtiger Bestandteil innerhalb einer ganzheitlichen Strategie, über die erfolgten Maßnahmen auch transparent kommunizieren zu können. Zudem nimmt es Unternehmen in die Pflicht, die Ziele im Klimaschutz ambitioniert zu setzen und darüber offen zu informieren. Schließlich ist genau dies die nötige Aufklärung, die zu mehr Bewusstsein und klimafreundlichem Verhalten bei Verbrauchern (m/w/d) führen kann.»


Nachtrag: Wer wendet sich gegen »Klimaneutralität«?

Stellt sich noch die Frage: Welchen Anlass hat das OLG Schleswig festzustellen, dass der Begriff »Klimaneutralität«, anders als der Begriff »Umweltfreundlichkeit«, eine eindeutige Aussage enthält? Hier der komplette Leitsatz des Urteils vom 30. Juni 2022 mit dem Aktenzeichen 6.U.46/21:

  1. Die auf einem Haushaltsartikel (Müllbeutel) neben einem Warenlogo aufgedruckte Werbeaussage «klimaneutral» lässt nicht darauf schließen, dass das herstellende Unternehmen ausschließlich klimaneutrale Ware produziere.
  2. Anders als der unscharfe Begriff der «Umweltfreundlichkeit» enthält der der «Klimaneutralität» eine eindeutige Aussage. Er enthält die Erklärung, dass die damit beworbene Ware eine ausgeglichene CO²-Bilanz aufweist.
  3. Die Angabe «klimaneutral» enthält hingegen nicht auch die weitere Erklärung, die ausgeglichene Bilanz werde durch gänzliche Emissionsvermeidung bei der Produktion erreicht. Dies gilt erst recht, wenn die Angabe mit dem deutlich sichtbaren Hinweis verbunden wird, dass zur Herstellung der Klimaneutralität Klimaschutzprojekte unterstützt werden, Erläuternder Hinweise zu Art und Umfang der Kompensationsmaßnahmen bedarf es nicht.
    Die Werbeaussage «klimaneutral» für eine Ware ist nicht per se irreführend. Das gilt erst recht, wenn zugleich darauf hingewiesen wird, dass die Klimaneutralität durch Kompensationsmaß-nahmen erreicht wird.

Die damit in Zusammenhang stehende Klage, respektive das oben beschriebene Urteil, steht vermutlich in Zusammenhang mit einer Ankündigung der Deutschen Umwelthilfe DUH vom 18. Mai 2022 unter der Überschrift «Verbrauchertäuschung mit vermeintlicher “Klimaneutralität”: Deutsche Umwelthilfe geht juristisch gegen Unternehmen vor.» Darin führt die DUH aus, dass sie rechtliche Verfahren gegen zunächst acht Unternehmen eingeleitet hat. Dabei handelte es sich um die Beiersdorf AG, BP Europa SE, dm-drogerie markt GmbH + CO. KG, Green Airlines GmbH, The Mother Nature GmbH, Dirk Rossmann GmbH, Shell Deutschland GmbH sowie die TotalEnergies Wärme + Kraftstoff Deutschland GmbH. Die DUH kündigte in ihrer Mitteilung zudem an, «… den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor irreführenden Werbeversprechen im Zusammenhang mit einer behaupteten Klimaneutralität ab sofort als neuen Arbeitsschwerpunkt der Ökologischen Marktüberwachung des Verbands einzuführen.»

Möglicherweise wäre ein wiederholter Appell im Rahmen einer freundlichen Kampagne zielführender, die Verbraucher (m/w/d) an die Präzision in der Sprache erinnert. Die würde sich zudem nicht nur fern jeder Öffentlichkeit in irgendwelchen Gerichtssälen abspielen und dürfte deutlich weniger Geld kosten. Kaum von der Hand zu weisen ist jedenfalls, dass weiche Adjektive wie «umweltfreundlich» oder «klima-positiv» mit präzisen Beschreibungen wie «klimaneutral» nicht zu vergleichen sind. Die Deutsche Umwelthilfe DUH täte gut daran, nicht immer nur auf Konfrontation zu setzen. Die Geldmittel, die sie für ihre unzähligen Klagen einsetzt, ließen sich bestimmt effizienter einsetzen (Foto: Daniel Dino Slofer).

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