Bremerhaven. (usp) Die Debatte und Abstimmung über die Position des EU-Parlaments zu Neuen Genomischen Techniken (NGT) konnten Interessenten via Livestream in dieser Woche verfolgen. Herausgearbeitet wurde sehr schön der Unterschied zwischen Transgenese und Mutagenese, was in der bundesdeutschen Diskussion leider schnell untergeht. Die «alte Gentechnik» hantiert mit Transgenese – artfremde Gene werden transferiert respektive eingeschleust. Die «neue Gentechnik» beschränkt sich auf die Mutagenese – artgleiche Gene können durch die Genschere Crispr-Cas schneller mutieren.
Die beschleunigte Mutation soll sich nach Angaben der Befürworter durch nichts von dem unterscheiden, was nicht auch in der Natur passieren kann. Nur dass Mutationen schneller und gezielter stattfinden und Reaktionen schneller auf den Klimawandel mit seinen Folgen erfolgen könnten. Für die Entdeckung der Genschere Crispr-Cas, die zweifellos über einen hohen Nutzwert verfügt, erhielten die Forscherinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer A. Doudna den Chemie-Nobelpreis 2020. Die Genschere Crispr-Cas ist eine europäische Forschungsarbeit und wird überall auf der Welt genutzt – nur nicht in Europa.
Stichwort Welthandel: Will Europa bei seinem strikten Nein bleiben, müsste es künftig geschlossene Rohstoffkreisläufe schaffen, denn im Import/Export sind Erzeugnisse, die mit Hilfe der Genschere Crispr-Cas optimiert wurden, durch nichts zu unterscheiden. Es wurden/werden schließlich keine artfremden Gene transferiert, sondern nur die natürliche Mutation beschleunigt. Es gibt keinen Unterschied.
Stichwort Alternative Landwirtschaft: Die Welt ist sich einig darüber, dass sie in der Erzeugung von Lebensmitteln dringend einen Systemwechsel braucht. Einerseits ist dieser Systemwechsel sehr anspruchsvoll, rettet aber die Welt. Andererseits sind die Beharrungskräfte sehr stark, die am bestehenden System festhalten wollen. Dieses System laugt die Böden zunehmend aus und zerstört sukzessive unsere Lebensgrundlage. Die sehr starken Beharrungskräfte sehen in den Vorteilen der Genschere Crispr-Cas nur das Werkzeug, um so weiterzumachen wie gehabt – und nicht über eine alternative Landwirtschaft nachdenken zu müssen … besser für die Menschheit, besser für den Planeten.
Fazit: Der hohe Nutzwert der Genschere Crispr-Cas – die Mutagenese durch Neue Genomische Techniken (NGT) – ist mit Blick auf Europa mit Bedacht einzusetzen. Sie kann nicht der rettende Strohhalm für eine konventionelle Agrarindustrie sein, die nur gelernt hat Ressourcen auszubeuten – in der die Großen immer größer werden, während die Kleinen hinten herunterfallen. Das kann sich noch ändern, doch aktuell sollte die Genschere vor allem ein Lenkungsinstrument sein, auf das die Nationalstaaten – mindestens – den gleichen Einfluss haben wie die EU-Institutionen … meint Ihre Ute Speer (Foto: pixabay.com).
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