Berlin. (fw) Fünf große Lebensmittelkonzerne, darunter Nestle und Unilever, haben ihr Projekt für eine eigene Nährwert-Ampel gestoppt. Foodwatch und weitere Verbraucherorganisationen hatten die «Industrie-Ampel» zuvor als irreführend kritisiert, da sie Lebensmittel gesünder aussehen lässt als sie in Wirklichkeit sind. Selbst bei Produkten wie Nutella oder Tuc-Crackern hätte die Ampel nicht Rot gezeigt. Foodwatch forderte die Konzerne auf, stattdessen das französische Ampel-Modell zu übernehmen, das von unabhängigen Experten entwickelt wurde.
Iglo und Danone haben bereits angekündigt, den Nutri-Score in Deutschland zu verwenden. «Die Konzerne sollten sich ein Beispiel an Iglo und Danone nehmen und den verbraucherfreundlichen Nutri-Score verwenden, der von mehreren europäischen Regierungen offiziell unterstützt wird», sagt Luise Molling von Foodwatch in einer Mitteilung.
Die Lebensmittelkonzerne Coca-Cola, Mondelez, Nestle, PepsiCo, Unilever und Mars hatten Ende 2017 ihre Pläne für eine eigene Nährwert-Ampel vorgestellt. Im Gegensatz zu dem erstmals 2007 von der britischen Lebensmittelbehörde FSA konzipierten Original-Ampelsystem sollte das Modell der «Big Six» allerdings deutlich weniger rote Ampeln zeigen. Ein Vergleichstest von Foodwatch hatte im Januar 2018 gezeigt, dass die von der Industrie geplante Ampel für Konsumenten wenig hilfreich ist: Selbst eine Süßigkeit wie Nutella von Ferrero, die zu rund 90 Prozent aus Zucker und Fett besteht, hätte demnach keine rote Ampel erhalten. Im März dieses Jahres war bereits Mars aus dem Industrie-Projekt ausgestiegen. Am Dienstag kündigten nun auch die verbliebenen fünf Konzerne an, den Testlauf für die Kennzeichnung von Lebensmitteln mit der Industrie-Ampel abzubrechen. Für Getränke soll der Ampel-Test jedoch weitergeführt werden.
Im Gegensatz zu den «Big Six» setzen in Deutschland bereits zwei Unternehmen auf ein unabhängig entwickeltes Ampelmodell: Danone und Iglo haben angekündigt, den französischen Nutri-Score ab 2019 freiwillig einführen zu wollen. Der Nutri-Score nimmt eine Gesamtbewertung des Nährwertprofils eines Produktes vor, indem günstige und ungünstige Nährwertbestandteile mit Punkten bewertet und dann miteinander verrechnet werden. Schließlich wird das Ergebnis mit einer fünfstufigen Farbskala dargestellt, die zugleich mit den Buchstaben A-E hinterlegt ist. Die Kennzeichnung wurde von französischen Wissenschaftlern entwickelt und wird von der französischen, der belgischen und auch der spanischen Regierung offiziell empfohlen.
Bundesernährungsministerin Julia Klöckner dürfe der Diskussion nicht länger tatenlos zusehen, fordert Foodwatch. «Wenn Frau Klöckner Übergewicht und Fettleibigkeit effektiv bekämpfen will, muss sie dem Beispiel Großbritanniens, Frankreichs, Spaniens und Belgiens folgen und ihren Widerstand gegen farbliche Kennzeichnungsmodelle aufgeben», sagt Luise Molling. «Zusätzlich brauchen wir Beschränkungen der an Kinder gerichteten Werbung und steuerliche Anreize für gesündere Rezepturen.»
Seit Ende 2016 gilt für alle verpackten Lebensmittel in der EU eine Pflicht zur Kennzeichnung der Nährwerte Fett, gesättigte Fette, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz. Außerdem muss über den Energiegehalt informiert werden. Die Angaben müssen sich jeweils auf 100 Gramm respektive Milliliter beziehen. Diese Angabe darf allerdings im Kleingedruckten auf der Rückseite der Verpackung erfolgen. Zusätzlich können Lebensmittelhersteller auf der Vorderseite weiterführende Angaben machen. Über die Form und Ausgestaltung dieser Kennzeichnung auf der Vorderseite wird seit Jahren gestritten.
Quellen und weiterführende Informationen
- Presseerklärung von Nestle, Coca-Cola, Unilever, PepsiCo und Mondelez zum Stopp des Ampel-Testlaufs
- Pressemitteilung von Iglo Deutschland zum Nutri-Score
- Mitteilung Danone zum Nutri-Score
- Erklärung der spanischen Regierung zum Nutri-Score
- Mitteilung der belgischen Regierung zum Nutri-Score
- Mitteilung von Foodwatch zum Vergleichstest der Industrie-Ampel (Januar 2018)