Bonn. (vdm) Die außergewöhnlich trockene Witterung im April sowie die verregnete Ernte haben bei Brotgetreide zu erheblichen Einbußen geführt. Aktuelle Schätzungen gehen von einer Erntemenge von knapp 40 Millionen Tonnen aus, die rund zehn Prozent unter dem bereits unterdurchschnittlichen Vorjahr liegt. Die Qualität ist regional, je nach Witterungsverlauf und Bodenqualität, stark unterschiedlich ausgefallen: Vor dem Regen geerntete Partien weisen gute Backeigenschaften auf. Später konnte Weizen und Roggen oft nur mit erheblichen Qualitätseinbußen eingebracht werden. Diese Partien sind zum Teil nur als Futtergetreide verwertbar. «Dies stellt die Müllerei vor besondere Herausforderungen, um die gewohnt hohen Mehlqualitäten weiter liefern zu können», konstatiert der Vorsitzende des Verbands Deutscher Mühlen (VDM) Hans-Christoph Erling.
Weltweit steigender Verbrauch lässt Getreidepreise haussieren
Der deutsche Getreidemarkt ist globalisiert. Die Preise leiten sich vom Weltmarkt ab. Meldungen über niedrige Ernten in anderen wichtigen Erzeugerländern tragen zur angespannten Marktlage bei. Weltweit schrumpfen die Bestände auf das niedrigste Niveau seit 28 Jahren. Die äußerst geringe Abgabebereitschaft der Landwirtschaft und die rege Nachfrage von Seiten der Verarbeiter im Lebensmittel-, Futtermittel- und Energiebereich haben zu einer Hausse der Getreidepreise geführt mit wöchentlichen Erhöhungen von fünf bis zehn Prozent. Die weltweit wachsende Bevölkerung und die steigende Nachfrage nach Veredelungsprodukten, besonders in den Schwellenländern, verteuern dieses langfristig.
Der politisch gewollte massive Ausbau der Bioenergie erfordert ebenfalls einen erweiterten Anbau von Getreide und Ölsaaten. Er beansprucht Boden, der dann zur Nahrungsmittelproduktion nicht mehr zur Verfügung steht. Dabei weisen renommierte Wissenschaftler zunehmend auf die Gefahren dieser Entwicklung hin. «Die Landwirtschaft muss primär Lebensmittel erzeugen. Ein verstärkter Energiepflanzenanbau würde das Fass endgültig zum Überlaufen bringen», urteilt der VDM-Vorsitzende. In Deutschland haben sich die Getreidepreise aktuell für diesjährige Liefermonate auf bis zu 250 Euro je Tonne gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Ein Ende der Hausse ist nicht in Sicht. «Eine in den letzten Jahrzehnten nie gekannte Situation», wie der Präsident des europäischen Mühlenverbands GAM, Rolf Brack, unterstreicht.
Steigende Mehlpreise in Europa
Die Mühlen in ganz Europa sind gezwungen, ihren Rohstoffbedarf zu drastisch gestiegenen Kosten zu decken, um die Versorgung der Bevölkerung mit Mehl zur Herstellung von Brot und Backwaren – unserem Grundnahrungsmittel Nr.1 – sicherzustellen. «Den ungebrochenen Getreidepreisanstieg haben die Mühlen bislang nicht vollständig an ihre Kunden weitergeben können», sagt VDM-Hauptgeschäftsführer Manfred Weizbauer. «Die bisherigen Preisanpassungen bei Mehl wurden durch die weiter gestiegenen Getreidepreise längst überholt. Die höheren Kosten zwingen die Mühlen, ihre spezifischen Abgabepreise laufend neu zu kalkulieren. Insgesamt dürften Preiserhöhungen für Mehl, Grieß und Schrot in der Größenordnung von 50 Prozent die Folge sein». Wie auch in anderen Branchen stellen die Rohstoffe bei den Mühlen mit rund 75 Prozent den bedeutendsten Kostenblock dar. Neben den drastischen Preissteigerungen bei Getreide erhöhen sich auch die Verpackungs-, Logistik- und Energiekosten immer weiter. Diese Kostensteigerungen auf breiter Front können von den Mühlen nicht aufgefangen werden.