Samstag, 2. November 2024

Mindestlohn steigt bis 2025 in zwei Stufen auf 12,82 Euro

Berlin. (eb) Fasst man die Stellungnahmen des Bäckerhandwerks, der Systemgastronomie sowie der Hotellerie und Gastronomie im Vorfeld des jüngsten Beschlusses der Mindestlohnkommission zusammen, dann kommt eine Erhöhung des Mindestlohns jetzt zur Unzeit und wäre in Trippelschritten frühestens zwei Jahre nach dem staatlichen Eingriff in die Tarifautonomie darstellbar. Davon unbeeindruckt sind die Gewerkschaften, die natürlich einen Lohnausgleich für ihr Klientel durchboxen wollen – ohne genau die Mechanismen zu hinterfragen, die die aktuellen Kostensteigerungen mit anheizen. Das Dilemma wohl im Blick hat die Mindestlohnkommission in ihrer Sitzung vom 26. Juni 2023 mit Mehrheit, jedoch gegen die Stimmen der Arbeitnehmerseite einen Vermittlungsvorschlag für die weitere Entwicklung der Lohn-Untergrenze beschlossen. Demzufolge steigt der gesetzliche Mindestlohn zum 01. Januar 2024 auf 12,41 Euro. Zum 01. Januar 2025 soll er in einer zweiten Stufe auf 12,82 Euro steigen, jeweils brutto je Zeitstunde.

Auszug aus der Begründung der Mindestlohnkommission

«Die Beschlussfassung fällt in eine Zeit schwachen Wirtschaftswachstums und anhaltend hoher Inflation in Deutschland, die für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen große Herausforderungen darstellen. Die Folgen der Pandemie sind in vielen Wirtschaftszweigen weiterhin zu spüren. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und seine negativen Folgen für die deutsche Wirtschaft dauern fort. Für das Gesamtjahr 2023 wird eine Stagnation des Wirtschaftswachstums erwartet. Für 2024 gehen die aktuellen Prognosen von einer moderaten wirtschaftlichen Erholung aus. Die Inflation erreichte im Jahr 2022 mit einer Höhe von 6,9 Prozent einen historisch hohen Wert,» heißt es in der Begründung der Kommission.

Durch die Anhebung des Mindestlohns von 10,45 Euro auf 12,00 Euro brutto je Zeitstunde durch den Deutschen Bundestag im Oktober 2022 wurde das regelmäßige Anpassungsverfahren durch die Mindestlohnkommission (MK) nach Paragraf 9 MiLoG – wie bekannt – vorübergehend ausgesetzt. Die Mehrheit der MK habe jetzt den Anstieg des Tarifindex auf den Wert der letzten Entscheidung der Kommission von 10,45 Euro angewandt und zugleich den durch den Gesetzgeber veranlassten Anstieg von 1,55 Euro berücksichtigt. Die Mehrheit der MK ist der Auffassung, dass die zweistufige Erhöhung des Mindestlohns dazu diene, die Lohnkostensteigerungen für die betroffenen Betriebe angesichts der gegenwärtigen Lage tragfähig zu halten und zugleich die Verdienste der Beschäftigten zu stabilisieren.

Auszug aus der Stellungnahme der Arbeitnehmerseite

Um den vom Mindestlohngesetz geforderten Mindestschutz und einen Ausgleich der Inflation zum Erhalt der Kaufkraft für die untersten Einkommensgruppen zu gewährleisten, hätte nach Ansicht der Gewerkschaften der Mindestlohn deutlich steigen müssen auf ungefähr 13,50 Euro brutto je Zeitstunde. Spätestens bis Ende 2024 müsse die EU-Mindestlohnrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden, wonach die Mindestlöhne in der Europäischen Union mindestens 60 Prozent des Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten erreichen sollen. Dies würde aus Sicht der Gewerkschaften einem Mindestlohn in Höhe von mindestens 14,00 Euro brutto je Zeitstunde entsprechen.

Auszug aus der Anhörung des Bäckerhandwerks

In seiner Stellungnahme im Vorfeld des Beschlusses schreibt der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV) im März 2023 an die Mindestlohnkommission: «Unsere Betriebe sehen sich erheblichen Kostensteigerungen in mehreren wesentlichen Kostenbereichen ausgesetzt, müssen Energiepreisbremsen und vereinzelt auch Härtefallhilfen in Anspruch nehmen. In dieser Situation sind weitere Belastungen das letzte, was unsere Branche jetzt braucht. Etwaige weitere Mindestlohnanhebungen dürfen die betroffenen Betriebe nicht zur Unzeit belasten. Vor diesem Hintergrund wird gebeten, die nächste Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns auszusetzen.»

Auszug aus der Anhörung der Systemgastronomie

In seiner ausführlichen Stellungnahme schreibt der Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) im März 2023 unter anderem: «Der BdS lehnt eine weitere Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns schon zum 01. Januar 2024 ab. Eine weitere Anpassung ist für die Betriebe der Systemgastronomie wegen des staatlichen Eingriffs in die Tarifautonomie und derzeit besonders wegen der hohen Kostensteigerungen wirtschaftlich nicht darstellbar. Eine weitere Anhebung würde die Betriebe der Systemgastronomie überfordern. Die Erhöhung des Mindestlohns in den Jahren 2021 und 2022 um insgesamt fast 30 Prozent müssen von den Unternehmen erst verkraftet werden.»

Fazit aus der Anhörung des Dehoga Bundesverbands

In seiner Stellungnahme im Vorfeld des Beschlusses der Mindestlohnkommission zieht der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga Bundesverband) folgendes Fazit: «Die Kostenbelastung der Gastronomie und Hotellerie hat eine besorgniserregende Dimension erreicht. Aufgrund der weiter hohen Inflation und der Arbeitsmarktsituation ist ein Ende nicht abzusehen. Die Leistungsfähigkeit und die flächendeckende Präsenz des Gastgewerbes sind dadurch gefährdet. In dieser Situation wäre es unangemessen, schon 13 Monate nach der letzten, sprunghaften Mindestlohnerhöhung zum 01. Oktober 2022 den gesetzlichen Mindestlohn erneut zu erhöhen. Keinesfalls sollte die nächste Erhöhung vor dem im Mindestlohngesetz ursprünglich vorgesehenen Zwei-Jahres-Turnus erfolgen, also vor dem 01. Oktober 2024. Anderenfalls würden im Gastgewerbe erneut etliche Entgelttarifverträge von der Mindestlohnentwicklung überholt, das Tarifsystem geriete weiter unter Druck und die Tarifbindung würde noch stärker erodieren. Dort dann mit gesetzgeberischen Maßnahmen zur «Stärkung der Tarifbindung» gegensteuern zu wollen, wie es die Bundesregierung plant, wäre ein Kampf gegen Windmühlenflügel respektive der Versuch, mit Zwangsmaßnahmen ein System, dass man zuvor selbst ausgehöhlt hat, aufrechterhalten zu wollen. Bezüglich der Höhe muss jedenfalls der nachlaufende Tarifindex die Obergrenze darstellen, um nicht eine Lohn-Preis-Spirale in Gang zu setzen oder zu verstärken» (Foto: pixabay.com).