Freitag, 29. März 2024
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LMIV: Kommt die Pflicht zu Nährwertangaben doch?

München. (liv / eb) Der Landesinnungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk hat sich in einem Brief an die bayerische Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf gegen einen kurzfristigen Meinungswechsel betreffend die Auslegung der Vorschriften über die kommende Nährwertdeklaration ausgesprochen. Diese ist ab dem 13. Dezember verpflichtend. Sie erinnern sich: Vor einem Jahr gab der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV) Entwarnung. Zitat von November 2015:

    «Die neue Lebensmittel- Informations- Verordnung (LMIV), die zum größten Teil bereits seit 13. Dezember 2014 gilt, sorgt wieder einmal für Verwirrung unter Handwerksbäckern. Dies betrifft vor allem die ab 2016 verpflichtende Nährwertdeklaration. Deshalb gibt der ZV Entwarnung: Das Handwerk ist auch ab 13. Dezember 2016 nicht per se dazu verpflichtet, Nährwertdeklarationen für ihre vorverpackten Waren zu liefern.
    Grund für die neuerlichen Unklarheiten gaben zum einen die missverständlichen Vorgaben der LMIV sowie das Engagement einiger EDV-Software-Hersteller, die diese Unsicherheit offenbar für den Vertrieb ihrer Softwarelösungen ausnutzen. ZV-Hauptgeschäftsführer RA Daniel Schneider, Experte auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts, ruft zur Gelassenheit auf: «Auch mit Geltung der Nährwertdeklarationspflicht ab Dezember 2016 müssen die meisten Handwerksbäcker ihre Waren nicht mit Nährstoffangaben versehen. Anderslautende Aussagen umtriebiger Software-Anbieter sind reine Geschäftemacherei» (Zitat Ende).

Dazu hatte und hat der WebBaecker eine andere Meinung. Zumal dem Infodienst schon früh einzelne Fälle bekannt wurden, in denen Bäckereien der Entwarnung aus Berlin und dem darin enthaltenen Verweis auf die ALS/ALTS Auslegungshilfen folgten und daraufhin ins Gehege kamen mit regionalen unteren Überwachungsbehörden. In der Erörterung «Wirklich keine Pflicht zu Nährwertangaben?» von Dezember 2015 ist das ausführlich nachzulesen und bezieht Daniel Schneider noch einmal präzise Stellung.

Die Beschlüsse des ALS/ALTS seien zwar nicht rechtsverbindlich, fänden jedoch im Vollzug der Überwachung höchste Beachtung und hätten damit eine starke faktische Wirkung, hieß es vor einem Jahr. Das ist gut möglich. Muss aber nicht so bleiben. Das vom Zentralverband kritisierte «Engagement einiger EDV-Software-Hersteller» findet jetzt jedenfalls seine Bestätigung in der eingangs erwähnten Kehrtwende der Politik – und die Kritik aus Bayern am «kurzfristigen Meinungswechsel» ist mehr als berechtigt. Noch mal zum Mitschreiben: Die Nährwertdeklaration ist ab dem 13. Dezember 2016 verpflichtend.

Ab diesem Datum müssen Lebensmittelunternehmer auf ihren Verpackungen den Brennwert und die enthaltenen Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz verpflichtend angeben. Dies resultiert aus der EU-Verordnung Nr. 1169/2011. Der bayerische Bäckerverband argumentiert, dass die Betriebe des Lebensmittelhandwerks und damit auch die handwerklichen Bäckereien kostenintensive Analysen durch Untersuchungslabore in Auftrag geben oder alle verwendeten Zutaten aufwändig überprüfen müssten – ein erheblicher finanzieller oder personeller Aufwand, den nicht jeder Betrieb leisten und verkraften kann. Die EU hatte daher in Anhang V der Verordnung eine Ausnahme für handwerklich hergestellte Lebensmittel beschlossen, um «unnötige Belastungen» der Lebensmittelunternehmer zu vermeiden. Hierauf verweisen Landesinnungsmeister Heinz Hoffmann und Hauptgeschäftsführer Dr. Wolfgang Filter in Ihrem Brief an Ministerin Scharf.

Sie weisen darauf hin, dass sich die deutsche Lebensmittelüberwachung, namentlich der «Arbeitskreis der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der Lebensmittel tierischer Herkunft tätigen Sachverständigen» (ALTS) und der «Arbeitskreis lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit» (ALS), der EU-Position im Dezember 2014 angeschlossen hatte. Beide Arbeitskreise hatten sich dafür ausgesprochen, die Ausnahmevorschrift so zu verstehen, dass ein Handwerksbetrieb von der Verpflichtung «befreit (ist), unabhängig davon, ob die Produkte direkt von ihm oder auf anderem Weg an die Verbraucher gelangen». Dieser Beschluss wurde veröffentlicht, weswegen die Handwerksbetriebe darauf vertraut haben, keine Nährwertdeklaration vornehmen zu müssen – schreibt der Verband.

Nun aber will der ALS diesen Beschluss nur wenige Wochen vor dem 13. Dezember wieder ändern. Die Befreiung für sämtliche Handwerksbetriebe soll wegfallen und es soll eine Begrenzung nach Betriebsgrößen eingeführt werden. Dem Vernehmen nach ist der ALS der Meinung, dass es Betrieben mit zehn Filialen zuzumuten sei, eine Nährwertdeklaration vorzunehmen.

Hoffmann und Dr. Filter haben daher die bayerische Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf ersucht, sich gegen eine Änderung des ALS/ALTS-Beschlusses zu stellen. Sie weisen darauf hin, dass eine Änderung gegen europäisches Recht verstoßen würde, da Anhang V der Verordnung keine Begrenzung der Betriebsgröße vorsieht. «Zweitens haben die Handwerksbetriebe die deutsche Brotkultur weltweit bekannt gemacht», sagen Hoffmann und Dr. Filter. «Doch sie müssen bereits jetzt im Vergleich mit der Brotindustrie und den Backstationen mehrere staatlich verursachte Wettbewerbsnachteile hinnehmen». Und schließlich habe der ursprüngliche Beschluss ein berechtigtes Vertrauen auf die korrekte Anwendung von Anhang V der EU-Verordnung gesetzt, das wenige Tage vor dem 13. Dezember 2016 enttäuscht werden würde, heißt es aus München (Foto: pixabay.com).

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