Samstag, 20. April 2024
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Konzernatlas 2017: «Sammelsurium» ruft BVE auf den Plan

Berlin. (rsl / bve) Sechs der weltweit 16 größten Fusionen der letzten Jahre fanden im Agrar- und Ernährungsbereich statt. Und kommt es tatsächlich zur Übernahme von Monsanto durch Bayer, beheimatet Deutschland gleich zwei der vier größten Agrarchemiekonzerne weltweit. Supermarktkonzerne schlucken sich gegenseitig. Wer übrig bleibt, an dessen Marktmacht kommen Bauern und Konsumenten kaum noch vorbei. Recht und Politik in Deutschland und Europa begünstigen derzeit das Wachstum der Konzernmacht. Dabei fördern die Konzerne mit ihrer Verkaufs- und Einkaufspolitik die Industrialisierung der Landwirtschaft, die mit gravierenden Klima- und Umweltproblemen verbunden ist und häufig zulasten der Bäuerinnen und Bauern sowie der Arbeiter und Arbeiterinnen geht. Immer mehr Menschen sind mit dieser Form der Landwirtschaft unzufrieden. Sie organisieren sich und kaufen so ein, dass entlang der Wertschöpfungskette wieder Vielfalt und Fairness entstehen kann.

Dennoch ist eine sozial-ökologische Neuorientierung des Agrar- und Ernährungssektors – von punktuellen Fortschritten abgesehen – nicht in Sicht. Im Gegenteil: Verbindliche Regeln für Unternehmen werden immer wieder torpediert – heißt es im Konzernatlas 2017 (PDF) der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RSL), Heinrich-Böll-Stiftung, des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland, von Germanwatch, Oxfam Deutschland und der deutschen Ausgabe von Le Monde Diplomatique. Die Herausgeber wollen damit einen Überblick geben über die wichtigsten Akteure und ihre Geschäftsstrategien, über die verschiedenen Formen von Konzernmacht und deren Auswirkungen, über neue Technologien und Konzentrationsprozesse.

BVE: Konzernatlas «absurdes Sammelsurium»

Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), durch die wir auf den Konzernatlas erst aufmerksam geworden sind, spart nicht mit Kritik: «Der sogenannte Konzernatlas dokumentiert ein absurdes Sammelsurium verkürzter Behauptungen oder falscher Unterstellungen gegen die Lebensmittelbranche und einzelne Unternehmen. Eine tatsächliche Übersicht über den globalen Lebensmittelmarkt gibt der Bericht nicht. Während 65 Prozent der europäischen Lebensmittelhersteller mit dem größten Anteil am globalen Umsatz in dem Bericht gar nicht auftauchen, wird sogar Autoherstellern oder Softwareunternehmen eine Einflussnahme auf das Lebensmittelangebot angedichtet. Das ist vielleicht der politisch-ideologischen Agitation des Bündnisses um die Rosa-Luxemburg-Stiftung geschuldet, nicht aber der Wirklichkeit der nationalen und internationalen Lebensmittelproduktion», sagt BVE-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff in einer Mitteilung.

«Die wachsende Weltnachfrage nach einer zuverlässigen, zugänglichen und sicheren Lebensmittelversorgung ist für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine Herausforderung. Der Ernährungswohlstand in Deutschland ist nicht selbstverständlich und überhaupt erst durch die industrielle Lebensmittelproduktion möglich geworden. Dabei prägt die deutsche Ernährungsindustrie nicht nur ein harter Wettbewerb, sondern auch eine beispielhafte mittelständische Unternehmensstruktur. Die zehn größten Unternehmen haben nur einen Umsatzanteil von 16 Prozent am Gesamtmarkt. Aber auch die deutschen Lebensmittelhersteller müssen sich auf einem zunehmend globalen Lebensmittelmarkt behaupten. Damit für alle Akteure der Lebensmittelkette daraus Chancen erwachsen, sind faire Wettbewerbsbedingungen und ein klares Bekenntnis zu Nachhaltigkeit notwendig. Die Rahmenbedingungen muss die Politik gestalten. Über die Leistungen und Prozesse der Lebensmittelproduktion klärt die Industrie öffentlich auf. Ich fordere eine faktenbasierte und lösungsorientierte Diskussion über die moderne Lebensmittelproduktion, die die gesamtgesellschaftlichen Interessen über Einzelinteressen stellt», lautet der Appell Minhoffs (Foto: RSL).

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