Stuttgart. (mstgt) In der «Gläsernen Backstube» ist es gerammelt voll: Frühsportler, Langschläfer und Genießer mit und ohne Familie drängen sich am reichhaltigen Sonntagmorgen-Büffet. Es duftet nach kräftigem Kaffee, herzhaften Eierspeisen und frischen Köstlichkeiten aus dem Ofen. Wie die Bäckerei Clement in Sachsenheim bemühen sich derzeit viele Handwerksbetriebe in der gesamten Republik mit besonderen Aktionen und Angeboten um ihre Kundschaft. Denn die kauft auch gerne mal beim Discounter und Vollsortimenter, wo vor allem beim Verkauf von Backwaren stete Umsatzzuwächse verzeichnet werden. Viele Betriebe versuchen daher ein Alleinstellungsmerkmal herauszuarbeiten, um sich von den Billiganbietern abzuheben. Punkten lässt sich mit allerlei, vom interaktiven Web-Shop über individuell gestaltete Torten bis hin zu kreativ benannten Gourmet-Broten oder täglich wechselnden Komplettmahlzeiten beim Mittagstisch. Wertvolle Anregungen und Know-how bietet auch die Südback 2019, Fachmesse für das Bäcker- und Konditorenhandwerk vom 21. bis 24. September in Stuttagrt.
Qualität allein genügt nicht
«Nicht der Kollege um die Ecke ist das Problem, sondern der Lebensmitteleinzelhandel, über den inzwischen ein großer Teil der Backwaren verkauft wird», erklärt Frank Sautter, Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes für das Württembergische Bäckerhandwerk e. V., der neben der BÄKO-ZENTRALE eG und dem Landesinnungsverband des Konditorenhandwerks Baden-Württemberg ein fachlich-ideeller Träger der Südback ist. Im Gegensatz zum Discounter, «der überall in Deutschland dieselbe Brezel verkauft», könne das Handwerk jedoch «leichter und schneller reagieren und das Angebot auch auf regionale Kundenwünsche abstimmen.» Allein auf die höhere Produktqualität zu verweisen, genüge hingegen nicht mehr, denn diese sei «im Bäckerhandwerk selbstverständlich. Daher glaube ich, dass man zusätzlich ein Alleinstellungsmerkmal braucht. Eines ist die Verwendung regionaler Rohstoffe. Viele Betriebe praktizieren das ohnehin – aber man muss darüber reden.»
«Highlight» im Fokus
Viele Bäcker, so Sautter, rückten ein bestimmtes «Highlight» in den Fokus, oft mit klangvollen Namen wie «Kraftprotz» (Siegel Backkultur, Stuttgart) und «King Kürbis» (Schmid, Gomaringen), oder auch «ein Holzofenbrot, das im eigenen Holzofen in der Backstube hergestellt wird.» Andere spezialisierten sich auf Bio-Produkte oder Dinkelbackwaren. Weniger sei hier oft mehr: «Ich kenne eine kleine, regionale Bäckerei, die nur an zwei Tagen die Woche geöffnet hat und ausschließlich Laugengebäck anbietet. Dort stehen die Menschen Schlange», sagt Sautter.
Gastronomie und Service
Der vielfach praktizierte Abstecher in die Gastronomie sei eine gute Möglichkeit, die Bäckerei «auch als Treffpunkt» attraktiv zu machen, erklärt Sautter. «Bei einem rückläufigen Brotabsatz muss man auf andere Produkte setzen. Gerade das Frühstück ist ein Segment, das der Bäcker wunderbar bedienen kann.» Das Rad müsse dabei nicht zwangsläufig neu erfunden werden, da «Betriebe in der Regel regional arbeiten». Sprich: Eine regionale Alleinstellung genügt. Ein weiteres, «klassisches Alleinstellungsmerkmal ist natürlich der Service, etwa im Verkauf, bei Bestellungen für Feste und Hochzeiten», doch sei es besonders in diesem Bereich schwierig geworden, denn «was gut ist, findet schnell Nachahmer».
Individuelles Brot – per App
Neben einer kreativen Produktpalette sollen vielerorts auch digitale Angebote die Kundschaft locken. Ein Internetauftritt mit Rundum-Blick in die Backstube ist weitverbreitet und kann die Kundenbindung auch auf emotionaler Ebene stärken. Anbieter wie etwa die Konzeptwerkstatt Merge haben das Konzept «Mein Brot – Dein Brot» entwickelt, das sich künftig vermehrt in Bäckereien finden soll: Kunden kreieren in einer App ihr ganz individuelles Brot. Wählbar sind Teig, die Brotform bis hin zu den Toppings. Die Produktion des Brots ist ganz transparent in der Backstube einsehbar. Zu guter Letzt bekommt das Brot den Namen des Bestellers und wird schön verpackt.
Backen als Event
Online wie offline sei insgesamt ein Trend zur Transparenz zu beobachten. Dies gelte nicht nur für ein gestiegenes Interesse an Zutaten und Rezepturen, sondern auch für die Herstellung selbst. «Zahlreiche Betriebe bieten heute etwa Backkurse an. Wenn Menschen in die Bäckerei kommen und sehen, wie Brot hergestellt wird, gewinnen sie einen ganz anderen Bezug zum Produkt, eine ganz neue Wertschätzung. Oft werden auch Schulen und Kindergärten in die Backstuben eingeladen. So gewinnt das Ganze zusätzlich einen Eventcharakter», so Sautter.
Angesichts der «äußerst vielfältigen Möglichkeiten», ein passendes Alleinstellungsmerkmal zu finden, blickt der Landesinnungs-Geschäftsführer optimistisch in die Zukunft. Wichtig sei, «dass man innovativ ist und immer am Ball bleibt – sonst überholt einen die Zeit.»
Über die Südback
Die Südback ist eine der wichtigsten Trendmessen für das Bäcker- und Konditorenhandwerk in Deutschland. Als reine Fachmesse ist sie Drehscheibe für den Austausch von Ideen, Meinungen und Informationen sowie für die Präsentation von Trends, Entwicklungen und technischen Innovationen (Foto: usp).
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