Freitag, 29. März 2024

Hygiene im Betrieb: Arbeitgeber können Gelnägel untersagen

Aachen. (eb) In einem jetzt veröffentlichen Urteil hat das Arbeitsgericht Aachen entschieden, dass Mitarbeitenden unter Umständen das Tragen von langen, künstlichen, lackierten Finger- oder Gelnägeln im Dienst untersagt werden kann. Im konkreten Fall ging es um angestellte Helferinnen und Helfer im sozialen Dienst eines Altenheims (AZ:1.Ca.1909/18). Doch hätte es sich genauso gut um Beschäftigte handeln können, die regelmäßig in Kontakt mit Lebensmitteln kommen.

Die Klägerin im angesprochenen Fall ist als Helferin im sozialen Dienst eines von der Arbeitgeberin betriebenen Altenheims beschäftigt. Mit der Anweisung ihrer Arbeitgeberin, die ihr das Tragen ihrer Gelnägel im Dienst untersagte, war die Klägerin nicht einverstanden. Sie machte geltend, dass die Anweisung sich auch auf ihr persönliches Erscheinungsbild in der Freizeit auswirke und sie deshalb in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze. Die Arbeitgeberin verwies darauf, dass das Verbot der Gelnägel aus Gründen der Hygiene zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner zwingend erforderlich sei.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht entschied, dass das Interesse der Klägerin an der freien Gestaltung ihres äußeren Erscheinungsbildes hinter dem Interesse der Arbeitgeberin, die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden der ihr anvertrauten Bewohnerinnen und Bewohner bestmöglich zu schützen, zurücktreten müsse. Zurecht habe sich die Arbeitgeberin auch auf die Empfehlungen des Robert Koch Instituts gestützt, nach denen aus Hygienegesichtspunkten in Kliniken, Praxen, Pflegeeinrichtungen und anderen medizinischen Arbeitsbereichen ausschließlich natürliche und kurz geschnittene Fingernägel getragen werden sollten. Denn unter anderem behindere Nagellack die Sichtbeurteilung der Nägel, auf künstlichen Nägeln sei die Bakteriendichte höher, sie beeinträchtigten den Erfolg der Händehygiene und erhöhten die Perforationsgefahr für Einmalhandschuhe.

Nachtrag: Empfehlungen des Robert Koch Instituts

Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) und das Robert Koch-Institut (RKI) können zwar keine Verbote, sondern nur Empfehlungen aussprechen. Die Veröffentlichungen der KRINKO und des RKI haben allerdings erhebliche Auswirkungen, weil sie häufig die Grundlage von Regelungen in Einrichtungen des Gesundheitswesens darstellen und auf publizierten Daten und Erfahrungen beruhen.

In der KRINKO-Empfehlung «Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens» heißt es in Kapitel 3.3 zu den Voraussetzungen für die hygienische Händedesinfektion: «Kurzgeschnittene, mit den Fingerkuppen abschließende Fingernägel gewährleisten die Reinigung der subungualen Spatien und minimieren die Gefahr der Handschuhperforation an den Fingerkuppen. Nagellack ist abzulehnen, weil er die Sichtbeurteilung der Nägel behindert und mit steigender Tragedauer die Kolonisation auf den Nägeln zunimmt. Obwohl dieser Einfluss bei frischem Nagellack nicht nachweisbar war, ist die Empfehlung, keinen Nagellack im Gesundheitswesen zu tragen, berechtigt, weil das Alter des Nagellacks und dessen Güte (Mikrorisse u.ä.) in praxi nicht beurteilbar sind [111]. Die Bakteriendichte ist auf künstlichen Nägeln höher als auf natürlichen. Zugleich beeinträchtigen künstliche Nägel den Erfolg der Händehygiene und erhöhen die Perforationsgefahr für Einmalhandschuhe [112 -116]. Wiederholt konnten künstliche Nägel als Quelle für nosokomiale Infektionen bei immunsupprimierten Patienten und für Ausbrüche postoperativer Wundinfektionen identifiziert werden [117 – 123].» In Kapitel 11 der Empfehlung heißt es weiter: «Nagellack ist nicht zulässig [Kat. II]. Das Tragen künstlicher und gegelter Fingernägel ist unzulässig [Kat. IB].»

Weitere Aspekte, die nicht primär den Patientenschutz sondern den Personal- oder Arbeitsschutz betreffen, sind der aktuellsten Fassung der TRBA 250 «Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege» zu entnehmen (Stand 01/2018).

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