Freitag, 29. März 2024
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Handwerk: Wirklich keine Pflicht zu Nährwertangaben?

Hamburg. (eb) Die Mitteilung des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV) unter dem Titel «Entwarnung – Keine Pflicht zu Nährwertangaben für Handwerksbetriebe» muss man genau lesen. Das sagt auch Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Verbands: «Sie ist kein Freifahrtschein». Anlass für das neuerliche Nachhaken sind konkrete Fälle, die dem WebBaecker aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Niedersachsen bekannt wurden, in denen Bäckereien der Entwarnung aus Berlin und dem darin enthaltenen Verweis auf die ALS/ALTS Auslegungshilfen folgten und daraufhin ins Gehege kamen mit den regionalen unteren Überwachungsbehörden – unter Hinweis auf eine eindrückliche Buße bei einer neuerlichen Verfehlung.

Das verunsichert nicht nur Bäckereien. Auch EDV-Software-Hersteller, die ihre Kunden und Geschäftspartner nach bestem Wissen und Gewissen beraten, haben unter diesen Umständen Erklärungsbedarf. So schreibt zum Beispiel das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg zur Nährwertkennzeichnung vorverpackter Ware bei handwerklicher Herstellung: «Leider ist es nicht möglich, den Wegfall der Nährwertdeklaration für jeden Bäcker, Metzger oder ähnlich so zu bestätigen (… wie in der genannten ZV-Mitteilung / Anm. d. Red.). Auf Grundlage der Auslegungshilfe von ALS und ALTS entscheiden die unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden, das örtliche Landratsamt beziehungsweise Bürgermeisteramt der Stadtkreise, ob das jeweilige Unternehmen verpflichtet ist, eine Nährwertkennzeichnung auf seinen Produkten anzubringen oder die Ausnahmeregelung für die direkte Abgabe kleiner Mengen handwerklich hergestellter Produkte greift».

Demnach möchte man meinen, dass ein regional unterschiedliches Restrisiko besteht, wollen sich Bäckereibetriebe allein auf die ALS/ALTS Auslegungshilfen berufen. Ob sich Unternehmen diesem Restrisiko stellen wollen, liegt allein im Ermessen der Bäckereibetriebe – denkt sich der WebBaecker.

Natürlich haben wir auch bei RA Daniel Schneider nachgefragt, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks in Berlin. Schneider ist nach wie vor der Meinung, dass das Handwerk «raus ist» aufgrund der Ausführungen im genannten Beschluss. Zumindest bei den selbst hergestellten Waren. Für Zukaufware in Vorverpackung müsste die Deklaration angebracht werden. Gleiches gilt für vorverpackte Ware im Online-Shop – es sei denn, die Bäckerei ist zeitgleich Kleinstunternehmer, beschäftigt weniger als zehn Mitarbeitende und setzt höchstens zwei Millionen Euro per Anno um (Ausnahme von der Ausnahme von der Ausnahme).

Schneider: «Ich würde rechtlich jeder Handwerksbäckerei auf Nachfrage sagen: machen Sie es nicht. Sie können bei handwerklicher Produktion ohnehin nur sehr schwer die Toleranzen bei den Werten einhalten. Sicherlich gilt das nicht unbedingt auch für die ganz Großen der Branche, die Gramm-genau und 100-prozentig rezepturtreu über alle Chargen hinweg produzieren können». Eine 100-prozentige Sicherheit habe man mit dem Beschluss also nicht, dieser könnte in einem gerichtlichen Verfahren auch aufgehoben werden.

Bis es soweit ist, würde Daniel Schneider mit Verweis auf die Auslegung des ALS/ALTS und die Eintragung in der Handwerksrolle jedoch sagen: Der ALS/ALTS will mit seinen Beschlüssen für die gesamte Überwachung eine einheitliche Anwendung des Rechts erreichen. «Dieses Ziel würde konterkariert, legten einzelne Ämter hier – entgegen dieses gemeinsamen Beschlusses – eine andere Auslegung und Kontrollpraxis an den Tag», sagt Schneider (Bild: pixabay.com).

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