Dienstag, 8. Oktober 2024
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Glockenbrot: 110 Backshops fallen ins Sommerloch

Bremerhaven. (eb) «Rewe trennt sich von Glockenbrot» haben wir in dieser Woche gelesen – was schlicht falsch ist. WebBaecker-Leser können sich allerdings zurück lehnen, denn sie wissen schon seit Juni 2012, dass die Glockenbrot Bäckerei GmbH + Co. oHG, 100-prozentige Tochter der Kölner Rewe Gruppe, hier und da ihre Ambitionen nach unten korrigiert. Wobei sie den sukzessiven Rückzug aus dem Filialgeschäft immer geordnet antritt und stets bestrebt ist, ihren Mitarbeitenden eine adäquate Perspektive zu verschaffen – innerhalb der Gruppe oder bei regional verankerten, namhaften Backbetrieben, welche entsprechende Verkaufsstätten zu übernehmen bereit sind – allesamt in Rewe-Märkten angesiedelt.

Damit lässt sich freilich keine Schlagzeile fabrizieren. Auch der Transfer der Verkaufsstätten mit allem Drum und Dran scheint in der Regel ganz unspektakulär zu verlaufen. Beispielhaft verweisen wir auf die Meldung «Schneider übernimmt 28 Filialen» von Juli 2012. Damals kaufte die Bäckerei Schneider GmbH – mit 70 Filialen im Bestand – zusätzlich 28 Rewe-Filialen. Die müssen gut in Schuss gewesen und an ordentlich frequentierten Standorten gelegen sein, denn sonst würde Schneider heute wohl kaum insgesamt 114 Filialen zählen.

Nachdem Glockenbrot 2012 seine Ambitionen in Nordrhein-Westfalen korrigiert hatte, folgte 2015 die Trennung von der Bäckerei-Konditorei Rothermel in Östringen bei Mannheim – 55 Filialen, 223 Mitarbeitende. Rothermel kann man aus heutiger Sicht als Fehlkauf bezeichnen, denn von den Plänen, die 2009 in aller Munde waren, spricht heute kein Mensch mehr. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist sicher auch die Glockenbrot Bäckerei Bergkirchen, für die im Oktober 2008 der Grundstein gelegt wurde.

Fragt man im Lebensmittel- Einzelhandel (LEH), besonders bei Edeka oder Rewe nach, dann sind beide Konzerne selbstverständlich (!) überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. Wir wagen es dennoch, eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit zu unterstellen. Von diesem Punkt aus ist die Einsicht nicht fern, nach der das Filialgeschäft heute schlicht zu teuer ist. Kurzum: Was Edeka Minden-Hannover vor Jahren mit offenem Visier durchexerzierte, holen andere Einzelhändler auf anderen Wegen nach – früher oder später. Andererseits: Weshalb der Handel an der eigenen Produktion von Brot und Gebäck festhält und diese tendenziell eher ausbaut, gehört heute zum branchenspezifischen Allgemeinwissen (oder?).

Wo hat die «Sensation» ihren Ursprung?

Nun zur «Schreckensmeldung» von dieser Woche: Sauber recherchiert (!) krönte das Manager Magazin seine Arbeit mit der zutreffenden Überschrift: «Rewe gibt Backshops in Supermärkten komplett ab». Rewe will sich demnach bis 2020 von ihren verbliebenen 110 Vorkassen-Backshops trennen. Diese sollen an regionale Betreiber abgegeben werden. «Im Rahmen dieser Betriebsübergänge geht kein einziger Arbeitsplatz verloren; alle Arbeitsverträge der Backshop-Mitarbeiter gehen grundsätzlich mit sämtlichen Rechten und Pflichten auf die jeweiligen neuen Betreiber über», sagte ein Rewe-Sprecher gegenüber dem Magazin.

Wenige Stunden später tauchte eine Überschrift in der Lebensmittelzeitung auf, die (a) die Aussage im Titel um ein kleines Wort verkürzte – und damit (b), wissentlich oder nicht, die Dramatik deutlich erhöhte. Konditioniert und geimpft durch die Insolvenzen, die die Backbranche derzeit wirklich durchrütteln, wurden die folgenden Überschriften – wie in einem Schneeballsystem – zunehmend unwirklich: «Rewe gibt die Bäckereien auf» (München) – «Aus fürs eigene Bäckereigeschäft» (Frankfurt) – «Rewe trennt sich von Glockenbrot» (Stuttgart).

Leugnen hilft nichts: Wir haben die kreativen Wirrungen, denen wir keinen Vorsatz unterstellen wollen, auf Bildschirmfotos festgehalten. Etwas mehr Sorgfalt in der Recherche und gegenüber den eigenen Lesern sollte allerdings möglich sein. Das ist alles (Foto: Rewe Gruppe).


Nachtrag: (05.08. / eb) Wie hier und da zu sehen ist, wurde der «kreative Prozess» fast umgehend korrigiert. Vielen Dank für die Annahme der Kritik.