Freitag, 29. März 2024

Gewusst wie: Verfahrensoptimierung in der Produktion

Dortmund / Köln. (af) Deutsche Anlagentechnik genießt international einen hervorragenden Ruf – auch in der Lebensmittelindustrie. Doch die beste Technik nützt wenig, wenn es bei der Anwendung hapert oder das Produktionsumfeld nicht stimmt. Das Spannungsfeld aus Anlagenoptimierung, Instandhaltung und Qualitätssicherung war das übergreifende Thema der Fresenius-Fachtagung «Anlagentechnik» Ende Januar in Köln. Ingenieure, Berater, Sachverständige und Rechtsexperten hatte die Akademie Fresenius als Referenten eingeladen – entsprechend groß war das Themenspektrum: Es reichte vom Anforderungsprofil für Anlagenkomponenten, über Wartungs- und Instandhaltungskonzepte, Reinigungsverfahren und Schadensanierung bis hin zu Lebensmittelüberwachung und Chargenrückverfolgbarkeit.

Maschinengestaltung: Sicherheit hui, Hygiene pfui

Die Hauptverantwortung für die Sicherheit eines Lebensmittels liegt beim Lebensmittelunternehmer. Die europäische CE-Kennzeichnung wurde vorrangig geschaffen, um im freien Warenverkehr dem Endverbraucher sichere Produkte zu gewährleisten. Doch gilt das auch uneingeschränkt für die Lebensmittelindustrie? «Häufig höre ich in der Praxis: ‘Meine Maschine hat doch ein CE-Zeichen, deshalb brauchen Sie sich überhaupt keine Sorgen zu machen’. Eine CE-Kennzeichnung nach der Maschinenrichtlinie heißt aber noch lange nicht, dass diese Maschine auch die hygienischen Forderungen erfüllt», betonte der Sachverständige Dr. Jochen Brose auf der Fresenius-Fachtagung. Die Nahrungsmittelmaschinen werden in der Maschinenrichtlinie als besondere Maschinen betrachtet, die neben den allgemeinen Sicherheitsanforderungen auch Forderungen hinsichtlich der Reinigung, Hygiene und Desinfektion erfüllen müssen. Diese zusätzlichen Anforderungen der Maschinenrichtlinie werden häufig seitens des Maschinenherstellers nicht erkannt und erfüllt, sagte Brose.

Verlängerte Haltbarkeit durch Reinraumtechnik

Hygiene ist nicht nur für die Sicherheit und Qualität eines Lebensmittels wichtig, sondern auch für die Haltbarkeit. Die Reinraumtechnik gewinnt in der Lebensmittelindustrie deshalb an Bedeutung. Getränkeabfüller und Hersteller von Brot- und Backwaren nutzen die Reinraumtechnik bereits, ebenso die fleischverarbeitende Industrie sowie die Milch- und Joghurt-Industrie: «Je nach Produkt und nach reinraumtechnischem Aufwand lässt sich die Haltbarkeit um 30 bis 300 Prozent verlängern», sagte Dr. Horst Weißsieker (TÜV Süd Cleancert GmbH) während der Fresenius-Fachtagung. Angesichts des breiten Einsatzspektrums gebe es aber keine «Standardreinraumlösung»: Für jede spezifische Anwendung müsse eine Risikoanalyse oder HACCP (Hazard Analysis of Critical Control Points) durchgeführt werden. Wenn die kritischen Punkte der Herstellung des spezifischen Produktes geklärt seien, könnten die technischen Lösungsansätze geplant werden, sagte Weißsieker.

Intelligente Reinigung: Viel hilft nicht immer viel

Reinigung und Desinfektion dienen dazu, die Anlage wieder in einen funktionierenden und risikoarmen Zustand zu bringen. «Reinigung ist Bestandteil des Produktionsprozesses», betonte Thomas Wershofen (Ecolab GmbH + Co. OHG) in Köln. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Effektivität seien die Reinigungsprozesse individuell zu gestalten: Die Reinigungsmittel und -verfahren müssten zum Rückstand und zur Anlage passen. Optimierung bedeute nicht, alle Konzentrationen und Zeiten nach unten zu regeln, sondern die Reinigungsprozesse am tatsächlichen Bedarf auszurichten, sagte Wershofen. Insofern seien auch Normen und Richtlinien mit Verstand und Augenmaß heranzuziehen, denn die Reinigungsbedingungen und Verfahren in den Betrieben entsprächen sehr selten den Bedingungen, die den Normen und Richtlinien zugrunde liegen. Wershofen: «Weder Rückstände noch Mikroorganismen können lesen und wissen somit, wo und wie sie vorzuliegen haben und wie und womit sie entfernt beziehungsweise abgetötet werden sollen».

Dichtung: Kleines Teil, große Wirkung

Der Teufel steckt auch bei einer professionell konstruierten Anlage manchmal im Detail – zum Beispiel bei Dichtungen wird dies deutlich. Aufgrund ihrer Verschleißanfälligkeit sind sie meist das schwächste Glied in der Kette. In den Einkaufsabteilungen gelten Dichtungen nur als so genannte C-Teile: Der Einkaufspreis ist wesentlich kleiner als die Prozesskosten der Beschaffung. Dennoch wird laut Christine Riebesell (Freudenberg Process Seals) häufig am falschen Ende gespart: Statt die Prozesskosten durch ein Schranklagerkonzept deutlich zu senken, werde versucht, den Einkaufspreis weiter zu drücken. «Die Dichtung ist ein Funktionsteil. Die Kosten aufgrund von zusätzlichen Wartungsarbeiten und Produktverlust sind immens verglichen mit dem Preis technisch hochwertiger Dichtungen. In kritischen Anwendungen ist die Verwendung der Dichtung mit der besten Performance der erste Schritt der Verfahrensoptimierung», argumentierte Riebesell. Auf der Fresenius-Fachtagung gab sie Anwendungsbeispiele für O-Ringe, Klappen- und Clampdichtungen, die teurer im Einkauf, aber dennoch wirtschaftlicher sind.

Info: Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius Fachtagung können Interessenten zum Preis von 250 Euro plus Mehrwertsteuer bei der Akademie Fresenius beziehen.

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