Donnerstag, 18. April 2024

Fairtrade International: Bauern und Arbeitskräfte profitieren von mehr Handelsoptionen und neuen Märkten

Köln. (tf) Eineinhalb Millionen Bauern und Arbeitskräften auf der ganzen Welt profitieren von erneut gestiegenen Fairtrade-Absätzen. Das zeigt der neu erschienene Jahresbericht von Fairtrade International. Produzentinnen und Produzenten erhielten Fairtrade-Prämiengelder von rund 105 Millionen Euro, die sie in ihre Betriebe und soziale Projekte investierten – ein Anstieg um 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Fairtrade Internationals Bericht für 2014/2015 mit dem Titel «Globaler Wandel, lokale Expertise» beleuchtet die Vorteile, von denen die 1,5 Millionen Fairtrade-Produzenten in 74 Ländern profitierten. Für den Erfolg sind höhere Absätze von klassischen Produkten wie Baumwolle und Kakao verantwortlich. Neu dabei sind weitere Bezugsquellen von Fairtrade-Gold. Der Bericht ist in Englisch und Spanisch verfügbar.

«Als Fairtrade vor 25 Jahren erstmals auf den Feldern von Produzenten und in den Verkaufsregalen in Erscheinung trat, war das ein gewagter neuer Ansatz. Wir haben uns diese kreative Energie bis zum heutigen Tag erhalten, nur so kann Fairtrade auf die stets wachsenden Herausforderungen für Kleinbauern und Arbeitskräfte reagieren», sagt Harriet Lamb, Geschäftsführerin von Fairtrade International.

Weltweit 5,9 Milliarden Euro für Fairtrade-Produkte

Im vergangenen Jahr gaben Verbraucherinnen und Verbraucher weltweit 5,9 Milliarden Euro für Produkte mit dem Fairtrade-Siegel aus, davon entfallen 827 Millionen Euro auf den deutschen Markt. So steigerten sie die Einkünfte von Fairtrade-Produzenten, was diesen zu mehr Stabilität verhalf. Absatzstärkstes Produkt sind mit rund 439.000 Tonnen Bananen (plus 18 Prozent), gefolgt von Kaffee mit rund 93.000 Tonnen (Rohkaffee plus zwölf Prozent). Hervorzuheben sind zudem die positiven Entwicklungen bei Baumwolle (plus 28 Prozent), Kakao (plus 24 Prozent) – wovon fast die Hälfte der zusätzlich verkauften Mengen auf die neu eingeführten Fairtrade Programme zurückgehen – und Gold (plus 259 Prozent). Das starke Wachstum bei Gold geht vor allem auf eine Überarbeitung des Standards zurück, wodurch Goldschmiede nun einfacher Fairtrade-Gold ankaufen können.

Eine aktuelle Umfrage von Fairtrade International zur Zufriedenheit der Mitglieder ergab, dass 93 Prozent der Produzenten mit der von ihnen erhaltenen Unterstützung durch Fairtrade zufrieden sind. Dies Resultat untermauert die Ergebnisse einer Erhebung der unabhängigen Zertifizierungsorganisation FLOCERT, die meldete, dass Produzenten Fairtrade durchschnittlich mit neun von zehn Punkten bewerten, was für die positive Wirkung von Fairtrade für Kleinbauern und Arbeitskräfte spricht.

Neue Märkte: Süd zu Süd Handel fördern

Die Studie zeigt außerdem, dass seitens der Produzenten ein hoher Bedarf an mehr Marktzugängen besteht. Fairtrade fördert daher auch den Süd zu Süd Handel, damit Produzenten- Organisationen ihre Waren auch auf regionalen Märkten verkaufen können. So rief Brasilien in diesem Jahr als viertes Produzentenland eine Fairtrade Marketing Organisation ins Leben. Die dortigen Verbraucherinnen und Verbraucher können nun auch heimischen Fairtrade-Kaffee und -Honig kaufen. Marketing Organisationen gibt es außerdem in Südafrika, Indien und Kenia.

Expertise und Zugang zu Finanzierung

Der Bericht «Globaler Wandel, lokale Expertise» vermeldet außerdem, dass Fairtrade dazu beitrug, Produzenten- Organisationen die Unterstützung zu vermitteln, die sie zur Stärkung ihrer Betriebe benötigen. Im Jahr 2014 stellte der Fairtrade-Zugangsfonds Kleinbauern- Organisationen Mittel in Höhe von 11,1 Millionen Euro bereit. Damit der verbesserte Zugang zu Geldmitteln möglichst effektiv genutzt wird, unterstützte Fairtrade die Kooperativen mit Beratungen und Schulungen zum Thema Finanzmanagement.

Die Kooperativen werden gleichzeitig auch ermutigt, selbst Initiative zu ergreifen. So investierte die Kibinge Kaffeekooperative einen Teil ihrer Fairtrade-Prämie in den Aufbau einer Kreditgenossenschaft, damit Bauern in dieser abgelegenen Region Ugandas bei Bedarf Kredite aufnehmen können. «Heute haben die Bauern Zugang zu Finanzdienstleistungen in ihrer Nähe, sie können Konten eröffnen und sie erhalten Kredite», erklärt David Lukwata, Geschäftsführer der Kibinge Kaffeekooperative. «Über uns können sie Geld sparen und ein Darlehen bekommen, egal ob für persönliche oder geschäftliche Zwecke».

Jahrhunderterlange Marginalisierung und Ausbeutung abzubauen braucht Zeit

Nach wie vor bleiben die Lebens- und Arbeitsbedingungen für viele Bauern auf der ganzen Welt problematisch. «Die Bedrohungen, denen arme Bauern und Arbeitskräfte heute ausgesetzt sind, sind Resultat jahrhundertelanger Marginalisierung und Ausbeutung», betont Harriet Lamb. «Fairtrade kann dabei helfen, die Kluft zwischen Arm und Reich zu mindern und ein globales Ernährungssystem zu verändern, dass derzeit sowohl auf Kosten der Menschen als auch unseres Planeten geht. Doch dafür gibt es keine schnellen Lösungen. Ein deutlicher Wandel ist nur möglich, wenn die Stimmen von Kleinbauern und Arbeitskräften auf höchster Regierungs- und Wirtschaftsebene Beachtung – und eine entsprechende Reaktion – erhalten».

Fairtrade arbeitet weiter daran, bessere Bedingungen für Arbeiterinnen und Arbeiter zu erreichen. Zusammen mit Gewerkschaften, anderen Zertifizierern, Unternehmen und Regierungsvertretern setzt sich Fairtrade für die Einführung Existenz-sichernder Löhne für Arbeitskräfte auf Plantagen ein. Zusätzlich treibt Fairtrade International mit der Berufung einer Gleichstellungsberaterin seine Aktivitäten auf neuen Schwerpunktgebieten voran. Ziel ist die Einführung einer Strategie, um die Gleichstellung von Mann und Frau in Fairtrade- Produzenten- Organisationen zu erreichen. Im Laufe dieses Jahres wird außerdem der neue Fairtrade-Klimastandard veröffentlicht, der bäuerlichen Gemeinschaften einen Zugang zum Emissionshandel eröffnet und sie bei der Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels unterstützt.

Weitere Highlights

  • Eine Literaturstudie (PDF) des Journal of Economic Perspectives im
  • Jahr 2014 ergab, dass Fairtrade-Bauern durchschnittlich höhere Preise und über bessere Zugänge zu Krediten verfügen, was zu höherer finanzieller Stabilität führt.
  • Im Jahr 2014 gaben Kleinbauern- Organisationen fast die Hälfte ihrer Prämieneinnahmen für die Stärkung ihrer Organisationen aus.
  • Fairtrade-Produkte sind in über 125 Ländern erhältlich.
  • Fairtrade hat kürzlich seinen Händlerstandard überarbeitet. Eine der wichtigsten Neuerungen zugunsten der Produzenten ist ein verbesserter Zugang zur Vorfinanzierung.
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