Donnerstag, 18. April 2024

EU-Kommission: Steuerdeal von Starbucks ist illegal

Brüssel / EU. (gov) Die Europäische Kommission hat per Beschluss festgestellt, dass Luxemburg und die Niederlande Fiat Finance and Trade beziehungsweise Starbucks selektive Steuervergünstigungen gewährt haben, die gegen das EU-Beihilferecht verstoßen.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: «Steuervorbescheide, die die Steuerlast eines Unternehmens künstlich verringern, stehen nicht mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang. Sie sind illegal. Ich hoffe, dass diese Botschaft durch die heutigen Beschlüsse bei den Regierungen der Mitgliedstaaten und den Unternehmen Gehör findet. Alle Unternehmen, kleine wie große, multinational oder auch nicht, müssen ihren gerechten Anteil an den Steuern zahlen».

Nach eingehenden Untersuchungen, die im Juni 2014 eingeleitet wurden, ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass Luxemburg der Finanzierungsgesellschaft von Fiat und die Niederlande der Kaffeerösterei der Starbucks Gruppe selektive Steuervorteile gewährt haben. In beiden Fällen wurde der Steuerbetrag, den das Unternehmen entrichten musste, durch einen von der betreffenden nationalen Steuerbehörde erteilten Steuervorbescheid künstlich verringert.

Steuervorbescheide als solche sind absolut legal. Sie werden von den Steuerbehörden ausgestellt, um einem Unternehmen Klarheit über die Berechnung der von ihm zu entrichtenden Körperschaftsteuer oder die Anwendung bestimmter Steuervorschriften zu verschaffen. Mit den beiden geprüften Steuervorbescheiden wurden für die Ermittlung der steuerpflichtigen Unternehmensgewinne jedoch künstliche und komplexe Methoden genehmigt, die die wirtschaftliche Realität außer Acht lassen. Dabei werden für Waren und Dienstleistungen, die ein Unternehmen einer Gruppe bei einem anderen Unternehmen derselben Gruppe kauft, Verrechnungspreise festgelegt, die nicht den Marktbedingungen entsprechen. Auf diese Weise wird der Großteil der Gewinne der Starbucks-Kaffeerösterei ins Ausland verlagert, wo sie ebenfalls nicht besteuert werden. Die Finanzierungsgesellschaft von Fiat zahlte deshalb nur auf zu niedrig angesetzte Gewinne Steuern.

Dies ist nach den EU-Beihilfevorschriften rechtswidrig: Bei Steuervorbescheiden dürfen keine noch so komplexen Methoden verwendet werden, um wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Verrechnungspreise festzulegen, mit denen Gewinne zu Unrecht verlagert werden, damit Unternehmen weniger Steuern zahlen müssen. Dadurch würde den betreffenden Unternehmen ein unfairer Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen (in der Regel KMU) verschafft, die auf der Grundlage ihrer tatsächlichen Gewinne besteuert werden, weil sie für die von ihnen verwendeten Waren und Dienstleistungen Marktpreise zahlen.

Die Kommission hat daher angeordnet, dass Luxemburg und die Niederlande die von Fiat respektive Starbucks nicht entrichtete Steuer einfordern müssen, um die von den beiden Gruppen in Anspruch genommenen unfairen Wettbewerbsvorteile zu beseitigen und die Gleichbehandlung mit anderen Unternehmen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, wiederherzustellen. Jedes der beiden Unternehmen muss 20 bis 30 Millionen Euro nachzahlen. Außerdem kommen sie nun nicht mehr in den Genuss der Steuervorteile, die sie aufgrund der Steuervorbescheide erhielten.

Die Kommission setzt ihre Untersuchung der Steuervorbescheidpraxis in allen EU-Mitgliedstaaten fort. Dies könnte zur Einleitung weiterer förmlicher Prüfverfahren führen, wenn es Anzeichen für Verstöße gegen die EU-Beihilfevorschriften gibt. Die förmlichen Untersuchungen von in Belgien, Irland und Luxemburg erteilten Steuervorbescheiden sind noch nicht abgeschlossen. Da jeder Fall für sich betrachtet wird, greifen die hier und jetzt diskutierten Beschlüsse dem Ausgang der laufenden Untersuchungen nicht vor.

Rückforderung

Mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen müssen nach den EU-Beihilfevorschriften grundsätzlich zurückgefordert werden, um die durch die Beihilfen verursachten Wettbewerbsverfälschungen zu verringern. In den beiden Beschlüssen hat die Kommission die Methode zur Berechnung des Werts des ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteils von Fiat und Starbucks dargelegt. Zu diesem Zweck wird die Differenz zwischen den von den Unternehmen jeweils gezahlten Beträgen und den Beträgen, die sie ohne den Steuervorbescheid hätten zahlen müssen, herangezogen. Dementsprechend müssen sowohl Fiat als auch Starbucks 20 bis 30 Millionen Euro nachzahlen. Die genauen Rückforderungsbeträge müssen nun von der luxemburgischen und der niederländischen Steuerverwaltung auf der Grundlage der in den Kommissionsbeschlüssen festgelegten Methode ermittelt werden.

Neue Ermittlungsinstrumente

In den beiden Untersuchungen hat die Kommission für die Einholung von Auskünften erstmals neue Instrumente verwendet, die durch eine Verordnung des Rates im Juli 2013 (Verordnung Nr. 734/2013) geschaffen wurden. In Ausübung dieser Befugnisse kann die Kommission, wenn die Auskünfte des von der beihilferechtlichen Prüfung betroffenen Mitgliedstaats nicht ausreichen, einen anderen Mitgliedstaat oder Unternehmen (einschließlich des Beihilfeempfängers und seiner Wettbewerber) auffordern, ihr alle für die vollumfängliche Würdigung erforderlichen Marktauskünfte zu übermitteln. Diese neuen Instrumente (nach der Verordnung Nr. 734/2013) sind Teil der Initiative zur Modernisierung der Beihilfenkontrolle, die die Kommission 2012 eingeleitet hat, damit sie ihre Durchsetzungsmaßnahmen auf die Beihilfen konzentrieren kann, die den Wettbewerb am stärksten verfälschen können.

Hintergrund

Die Kommission untersucht seit Juni 2013, wie die Mitgliedstaaten in der Praxis bei Steuervorbescheiden vorgehen. Im Dezember 2014 richtete sie an alle Mitgliedstaaten Auskunftsersuchen. Derzeit führt die Kommission drei weitere eingehende Prüfungen durch, weil sie beihilferechtliche Bedenken wegen Steuervorbescheiden hat, die Apple in Irland, Amazon in Luxemburg und im Rahmen einer belgischen Steuerregelung erteilt wurden.

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