Samstag, 20. April 2024

E-Commerce 2047: Sieben Thesen zum interaktiven Handel

Berlin. (bevh) Auf Basis der wissenschaftlichen Studie «Interaktiver Handel in Deutschland» – Die Entwicklung des Online-und Versandhandels, die der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) seit 2006 erstellt, skizziert der Verband im siebzigsten Jahr seines Bestehens wie folgt sieben ausgewählte Trends, die den E-Commerce im Jahr 2047 prägen werden.

1. These: Im Jahr 2047 ist Einzelhandel E-Commerce

In 30 Jahren wird der Einzelhandel einen vollständigen Paradigmenwechsel erlebt haben. Mit den stetigen Wachstumsraten des E-Commerce, im Jahr 2016 deutlich zweistellig, und den klar ansteigenden Gesamtumsätzen sind Rolle und Anteil des E-Commerce am Einzelhandel gewachsen, ist der E-Commerce nun die prägende Komponente des Einzelhandels. Gleichzeitig hat sich das Konsumentenverhalten radikal verändert. Schon heute schwinden Vorbehalte, steigen Akzeptanz und Nutzung des E-Commerce quer durch alle Generationen und Konsumentengruppen. So stieg die Bestellhäufigkeit zum Beispiel von 2015 auf 2016 deutlich an. Im Jahr 2016 haben 82 Prozent der Befragten mindestens einmal im Monat oder erheblich öfter online bestellt. Das spricht zwar nicht grundlegend gegen eine weitere Existenz des stationären Einzelhandels, aber die Costumer Journey wird in der Regel mit der Online-Suche und -Information – via mobilem oder stationärem Internet – beginnen. Sie wird häufig auch dort enden, denn die Zahlen des vergangenen Jahres zeigen, dass ein wachsender Teil der Nutzer genau weiß, wo er online kaufen will und keine weiteren Suchen durchführt. Stationärer Handel wird 2047 in Orten ausreichender Zentralität weiter als lokale, unter Servicegesichtspunkten optimierte Ausprägung von E-Commerce bestehen. Aus bevh-Sicht wird daher im Jahr 2047 der E-Commerce-Anteil 100 Prozent betragen, weil in jedem Einkauf E-Commerce-Prozesse enthalten sind. Für Bestellung und Bezahlung wird eine Bandbreite von Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die auf Basis der Akzeptanz durch die Konsumenten bis 2047 ausgebaut und entwickelt wurden.

2. These: E-Commerce ist im Jahr 2047 weit mehr als Online-Handel

Der Paradigmenwechsel bis zum Jahr 2047 wird dazu geführt haben, dass die Potenziale und Chancen eines umfassenden E-Commerce erschlossen und genutzt werden. Zum einen wird der Online-Handel weiter deutlich wachsen, zum anderen werden auch flankierende oder gänzlich eigene und neue Möglichkeiten Alltag sein. So ist bereits in 2016 der Trend einer deutlich steigenden Nachfrage und Nutzung von online-basierten Dienstleistungen zu verzeichnen. Im Jahr 2047 werden sich für die Konsumenten das Internet und die Online-Anbieter als erste Adressen für die Suche von und detaillierte Informationen über Waren und Dienstleistungen herausgebildet haben. Für die Erschließung weiterer Bereiche des E-Commerce werden bis 2047 sichere und bequeme Systeme für Payment, Online-Banking oder aber auch Versicherungen Voraussetzungen sein. Gleichfalls wird die umfassende Vernetzung der in Haushalt und Büros vorhandenen Infrastruktur (Smart Home / Smart Office) neue Geschäftsmodelle in der Bedarfsermittlung und -deckung, aber auch im E-Commerce ganz generell ermöglichen. Zudem werden die Nutzung von Streamingangeboten auf Abo-Basis im Segment audiovisueller Produkte, aber auch Leih-Systeme für selten benötigte vor allem technische Güter bis 2047 deutlich zunehmen. E-Commerce-Kaufleute werden als Spezialisten für Groß- und Einzelhandel, für Handwerk, Tourismus und produzierendes Gewerbe die Vielfalt des E-Commerce für die Kundschaft erfolgreich managen.

3. These: E-Commerce ist der optimale Nahversorger mit höchster Verfügbarkeit und Transparenz

Waren und Leistungen ohne ausufernden Aufwand zuverlässig zu erhalten, wann und wo man sie wirklich braucht, das kann und wird der E-Commerce in 30 Jahren den Nutzern bieten. Verbesserte Systeme für mobiles Internet werden dies unterstützen. Die aktuelle Debatte um eine Gefährdung der Nahversorgung durch E-Commerce wird 2047 so beantwortet sein, dass für einen großen Teil der Güter und Dienstleistungen täglichen Bedarfs das Internet und der E-Commerce die erste und wichtigste Option sind. Damit dies 2047 Realität ist, ist es notwendig, dass Unternehmen im E-Commerce vor allem das Qualitätskriterium Lieferzeit für die Kundschaft in höchstem Masse zufriedenstellend gestalten. Bereits in 2016 erfreuten sich erste «Same Day Delivery»-Projekte hoher Beliebtheit. Liefermodalitäten und -qualität der Versender wurden zu mehr als 86 Prozent als sehr gut und gut bewertet. Die wachsende Qualität der Lieferprozesse hat die Entwicklung des E-Commerce-Bereichs Lebensmittel (FMCG) befördert. In 30 Jahren werden zudem autonome Lieferfahr- aber auch -flugzeuge in Kombination mit dezentralen Depots und extremer Datenanalyse (predictive procurement) taggleiche Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs an jedem Ort ermöglichen. 2047 steht E-Commerce für eine hohe Verfügbarkeit von Waren des täglichen und generellen Bedarfs, aber auch für verschiedenste Dienstleistungen. Selbst in kritischen Anforderungen wie Arzneimittelversorgung oder frischen regionalen Lebensmitteln wird die technologische Entwicklung zu mehr Qualität führen, zu mehr individueller Beratung und zu mehr Kundenzufriedenheit. Zudem stehen vielfältige und umfangreiche online-basierte Bildungsangebote, aber auch Gesundheits- und Verwaltungsdienstleitungen zur Verfügung. Das E-Commerce-System wird von hoher Transparenz und zuverlässiger Nutzersicherheit geprägt sein. E-Commerce verdrängt die Nahversorgung nicht, er macht sie besser.

4. These: E-Commerce kennt keinen Unterschied, bietet aber individuelles Einkaufs-Erlebnis

Galten das Internet, E-Commerce und Online-Handel noch in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts als vorwiegend «weiblich», hat sich das bis 2047 grundlegend gewandelt. E-Commerce ist für beide Geschlechter und alle Alters- und Bildungsgruppen tägliche Praxis. Bereits 2016 holten die Männer gewaltig auf, sorgten in nahezu allen Warengruppen des E-Commerce für deutliches Wachstum. Für tradierte Ausprägungen geschlechterspezifischer Aspekte und individueller Vorlieben des Einkaufsverhaltens bietet der E-Commerce mit unterschiedlichen Marktplätzen (Online-Marktplätze, Multichannel-Versender, Internet-Pure-Player, Herstellerversender, Shopping-Clubs) passgenaue Plattformen. So werden zudem Markenhersteller Kundenbeziehungen zunehmend selbständig führen und Verkäufe über Onlineplattformen mit Händlern als Distributionspartnern oder mit Endkunden direkt abwickeln.

5. These: Im E-Commerce gibt es alles

Im Jahr 2047 werden Konsumenten die bequemen und vielseitigen Möglichkeiten von Online-Features nutzen, um sich grundlegend einzurichten, physisch oder ästhetisch verschlissene Einrichtungsgegenstände zu erneuern, ihren täglichen und den Bedarf an leistungsfähiger Kommunikationstechnologie zu decken. Bereits bis 2017 kristallisierten sich die Warencluster Einrichtung (Warengruppen: Möbel, Lampen und Dekoration, Haus- und Heimtextilien, Haushaltswaren und -geräte), Bekleidung und Schuhe (Warengruppen: Bekleidung und Schuhe), Täglicher Bedarf (FMCG-Warengruppe: Lebensmittel, Drogerie, Tierbedarf) und Unterhaltung (Warengruppen: Bücher/Medien/PC, Home-Electronics und Telekommunikation) und Freizeit (Warengruppen: DIY, Blumen, Spielwaren, Auto/Motorrad/Zubehör) als DIE Wachstumstreiber im E-Commerce heraus. Bis 2047 werden die Anbieter im E-Commerce verlässliche, nachhaltige und servicestarke Tools entwickelt haben, die die Bereitschaft der Konsumenten, auch FMCG online zu ordern (in 2016 wollte bereits jeder fünfte der Befragten Lebensmittel bestellen), just in time zufriedenstellend bedienen können. So können Güter des täglichen Bedarfs auch regelmäßig direkt beim Kunden bereitgestellt werden, da intelligente Küchengeräte oder Einrichtungsgegenstände im Smart Home die Planung des Lebensmittelbedarfs unterstützen.

6. These: E-Commerce ist nachhaltig

Mit dem Wachstum im E-Commerce, das sowohl von Konzentration als Diversifikation geprägt ist, ist bis 2047 eine vielfältige Branchenstruktur entstanden. Große Player bieten breite Angebote, kleinere nutzen erfolgreich Nischen. Trotz des Wettbewerbs werden die Möglichkeiten der Shared Economy genutzt. Waren die Online-Marktplätze gewissermaßen bereits eine Vorstufe kollaborativer Prozesse, gehört die Suche nach und Nutzung von Möglichkeiten zur gemeinsamen Nutzung von Ressourcen 2047 über die gesamte Wertschöpfungs- und Lieferkette zu den grundlegenden Geschäftsprinzipien im E-Commerce. Anbieter teilen sich nun zum Beispiel zunehmend CO2 -neutrale Logistikkomponenten, Nutzer teilen sich zunehmend Waren, die sie nicht im eigenen Besitz benötigen. «Leihen bei Bedarf» ist 2047 ein etablierter Bereich des E-Commerce. In 30 Jahren ist die Verantwortung für faire Arbeitsbedingungen, ressourcenschonende Wertschöpfungsketten und umweltverträglichen Konsum ein gelebtes Prinzip in der E-Commerce-Branche. Dazu gehören auch Vergleichbarkeit, Transparenz und Kundenorientierung. Die Branche setzt dabei erfolgreich auf offenen Dialog und verständliche Information, auf Akzeptanz und Selbstbestimmung einer mündigen Kundschaft.

7. These: E-Commerce ist Wachstumstreiber und verantwortungsvoller Arbeitgeber in der Nachbarschaft

Die Unternehmen des E-Commerce schaffen Arbeitsplätze. Mit der Entwicklung neuer und E-Commerce-spezifischer Ausbildungsberufe beteiligen wir uns an dem Erfolgsmodell der dualen Ausbildung in Deutschland. Hochschulabgänger finden in der technologiegetriebenen Branche komplexe Herausforderungen oder werden gleich Unternehmensgründer. Als wachsender Wirtschaftszweig leistet die Branche dort wo sie tätig ist durch Steuerzahlungen ihren Beitrag für das Gemeinwesen. Wenn internationale Schlupflöcher geschlossen werden – die übrigens keine Erfindung des Onlinehandels sind – und gleiche Voraussetzungen für alle Marktteilnehmer geschaffen werden, dann begrüßt der bevh das. Der Verband fordert aber auch klare politische Rahmenbedingungen, damit die E-Commerce-Branche ihr Potential für die Menschen entfalten kann.

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