Detmold. (agf) Zum Beispiel in Nahrungsergänzungsmitteln hat Hefe einen festen Platz. Die mit der Bäckerhefe eng verwandte Bierhefe, oder Nebenprodukte wie etwa Hefetrester, sind willkommene Helfer, wenn es darum geht,Schönheit und Gesundheit vorbeugend zu schützen. Ein Bäcker würde sein Brot kaum so bewerben, wie der Drogist seine Präparate. Doch in Zeiten, in denen gefühlt jede Woche ein neues «Superfood» auftaucht, lohnt es sich näher über Hefe nachzudenken. Also nicht nur über die Hochleistungshefe in Relation zur Volumenausbeute, sondern über die Mikrobiologie der Bäckerhefe und deren Beitrag zum ernährungsphysiologischen Wert, der täglich die Backstuben verlässt. Noch dazu lässt sich diese Mikrobiologie mit einfachen Mitteln beeinflussen, was innovativen Bäckereien erstaunliche Möglichkeiten verschafft. Ziel ist also nicht das eingangs erwähnte Beispiel Nahrungsergänzungsmittel. Sondern: sich zu lösen vom eingeübten Blick – und die Möglichkeiten zu nutzen, die jedem Bäcker in der Backstube offenstehen für mehr Individualität, oft gleichbedeutend mit einem geldwerten Vorteil.
Seit tausenden von Jahren wird natürliche Backhefe zur Steuerung der Herstellung von Brot und Gebäck verwendet. Heute ist Backhefe ein modernes Hochleistungsprodukt und erfüllt damit ein umfangreiches Anforderungsspektrum: Sie garantiert vom Handwerksbäcker bis zur Großbäckerei eine optimale Gebäckqualität durch gleichmäßige Triebkraft, hervorragende Haltbarkeit und höchste Reinheit. Zudem verleiht sie Hefegebäcken ein charakteristisches, wohlschmeckendes Aroma. Egal ob als Flüssig-, Block- oder Granulathefe, ob in Teigen mit hohem Zucker- oder Fettgehalt oder mit Säureregulator, ob in Herstellungsverfahren inklusive Gärverzögerung oder Langzeitfrostung: Backhefe steht für Sicherheit und Verlässlichkeit bei der Herstellung von Brot und Gebäck.
Für die 74. Bäckerei-Technologie-Tagung der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung (AGF) in Zusammenarbeit mit dem Max Rubner-Institut, Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide, beleuchtete Dr. Philipp Fesel das Spektrum natürlicher Bäckerhefe in der Produktentwicklung, speziell die Steuerung des Herstellungsprozesses von Backwaren mittels natürlicher Hefefermentation. Schnell wurde deutlich, dass natürliche Backhefe mehr zu bieten hat, als «nur» die verlässliche Triebkraft.
Gute Backhefe ist so selbstverständlich geworden, dass beinahe der Blick dafür verlorengegangen ist, welche inneren Werte sie abgesehen von der Triebkraft sonst noch so besitzt: Backhefe ist natürlich reich an Vitaminen unter anderem des B-Komplexes, enthält hochwertiges Eiweiß sowie Mineralstoffe und Spurenelemente. Ein weiteres natürliches Biomolekül im Inneren der Hefezelle ist das Glutathion (GSH). Glutathion lockert die Disulfid-Bindungen des Glutennetzwerks und verbessert damit auf natürliche Weise die Teigentspannung. Soll heißen: Inaktive Trockenhefen mit standardisiert hohem GSH-Gehalt eignen sich hervorragend als natürliche Clean-Label Alternative zwecks gezielter Verbesserung der Dehnbarkeit und Maschinengängigkeit von Teigen jeglicher Art.
Durch spezielle Fermentations- und Veredelungsprozesse lassen sich zum Beispiel auch inaktive Trockenhefeprodukte entwickeln, die sich aufgrund Ihres hohen Gehalts an ernährungsphysiologisch hochwertigen Proteinen zur Eiweißanreicherung eignen. Oder sie tragen als Aromahefen in Prozessen mit Vorteig- oder Langzeitführungen zu einer deutlichen Geschmacksverbesserung bei. Backhefe an sich kann auch gezielt zur Fermentation von Weizen- oder Hafermehl eingesetzt werden, um dadurch süße, karamellartige Fermente zu erzeugen. Diese lassen sich als deklarationsfreundlicher Zuckerersatz einsetzen oder zwecks Erzeugung spezieller Geschmacksnuancen.
Kurzum: Mit natürlicher Backhefe steht ein vielseitiger Rohstoff zur Verfügung, der viel zu schade ist, um allein auf seine Triebkraft reduziert zu werden. Durch die stetige Entwicklung von Fermentations- und Veredelungsprozessen kann natürliche Backhefe bei der Produktentwicklung sowie der Gestaltung des Backprozesses und seiner Vorstufen eine Schlüsselrolle zukommen.
Über den Referenten: Dr. Philipp Fesel ist Produktmanager Fermentation und Business Development Manager (Key Accounts) bei Uniferm in Werne. Nach dem Studium der Biotechnologie und molekularen Mikrobiologie in Senftenberg, Barcelona und Marburg folgte die Promotion an der Universität zu Köln. Im Anschluss war Fesel als Projektleiter in der angewandten Forschung mit dem Schwerpunkt Hygienetechnologie tätig. Seit 2019 ist Philipp Fesel bei Uniferm als Produktmanager für den Bereich Fermentation zuständig (Text: AGF – Fotos: Uniferm).
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