Dienstag, 16. April 2024
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Bundesweit: Rote Grütze im Dreieck tiefgekühlt

Bremen. (wfb) Neben klassischen Eisdielen bieten immer mehr kleine Manufakturen handgemachte Eiskreationen an. Stieleis bleibt dabei allerdings eine Ausnahme. Das Bremer Unternehmen Fiev Sinn hat sich genau darauf spezialisiert – und stellte sogar schon einen Weltrekord auf.

Als die IG Metall Wolfsburg Daniela Pataj-Vogt fragte, ob sie zum 75. Bestehen der Gewerkschaft 75.000 Eis am Stiel der Sorte Erdbeere liefern könne, musste sich die Bremer Jungunternehmerin erst mal Bedenkzeit erbeten. Bei so einem Großauftrag waren Nachtschichten vorprogrammiert. Sie sagte schließlich trotzdem zu – kam die Anfrage während der Corona-Pandemie 2021 doch gerade recht. Sechs Wochen arbeitete Pataj-Vogt zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Elena Schönfeldt und weiteren helfenden Händen im Akkord. «Ich hatte in der Zeit zwei bis vier Stunden Schlaf pro Nacht», erzählt die 47-Jährige lachend. Die Mühe lohnte sich: Der Einsatz brachte ihr zusammen mit der Gewerkschaft einen Eintrag ins Buch der deutschen Weltrekorde. Binnen 75 Stunden waren 75.000 Eis in Schulen, Firmen oder auf Märkten verteilt worden.

Von der Architektur zur Eis-Manufaktur

Eine Urkunde vom Rekord-Institut für Deutschland erinnert an diesen ungewöhnlichen Auftrag. Sie hängt in der kleinen Eismanufaktur Fiev Sinn von Daniela Pataj-Vogt in Bremen-Schwachhausen. Vor drei Jahren zog sie an den kleinen Park am Gräfin Emma-Platz. Angefangen hatte die Bremerin 2017 im Schnoor-Viertel. Eigentlich ist sie Architektin, doch sie wollte sich beruflich verändern; mit einem kleinen Laden mit Bremer Produkten. Die gebürtige Bremerin liebt ihre Heimat, mag das viele Grün, das Leben am Fluss, die kurzen Wege und das soziale Miteinander. Warum also nicht kleine Bremer Manufakturen unterstützen? Alle fünf Sinne ihrer Kundschaft wollte sie ansprechen, daher der plattdeutsche Name Fiev Sinn.

Kurz vor Eröffnung des Ladens war sie mit ihrem Mann und den beiden Töchtern im Italien-Urlaub. Bei einem Spaziergang durch die Turiner Altstadt entdeckte sie eine familiengeführte Gelateria, die nach einem selbst entwickelten Verfahren und mit einer eigens dafür konstruierten Maschine Eis am Stiel produzierte.

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Die perfekte Erfrischung für den ersten Laden im Schnoor

Nicht nur die Geschmacksprobe überzeugte Daniela Pataj-Vogt, auch die Optik: Als Architektin mag sie klare Formen und Strukturen – das dreieckige Eis begeisterte sie auf Anhieb. «Es hat mir gefallen, dass es etwas Technisches an sich hat», sagt sie. Sie dachte an ihren künftigen Laden im Schnoor und daran, dass sie dort neben Bremer Kaffee und Spezialitäten wie Rote Grütze, Knipp und Labskaus in Dosen auch selbstgemachtes Eis anbieten könnte. «Das war die perfekte Erfrischung, die mir noch fehlte», sagt Daniela Pataj-Vogt. Gedacht, getan: Zum Kauf der italienischen Eismaschine gehörte auch eine ausführliche Einführung in die Eisproduktion. Daniela Pataj-Vogt blieb also in Turin, während ihre Familie die Ferien fortsetzte. «Die Schwester des Ingenieurs, der die Eismaschine entwickelt hat, ist die Eismacherin in dem Betrieb. Bei ihr habe ich das Handwerk gelernt, bis jeder Griff saß.»

Hundert Prozent natürliche und frische Zutaten

Wieder in Bremen, wurde das Stieleis schnell zur Hauptattraktion im Laden: Es besteht zu hundert Prozent aus frischen, natürlichen Zutaten – ohne Emulgatoren, Farb- oder Aromastoffe. «Im Sommer ist Erdbeer-Rhabarber der Renner», erzählt Daniela Pataj-Vogt. Aber auch Nougat, Mango-Kokos, Rote Grütze gefüllt mit Vanillecreme oder Gin Tonic-Gurke als alkoholische Variante sind im Angebot. Einige Rezepte brachte sie aus Italien mit, die meisten Sorten sind inzwischen aber Eigenkreationen. «Unser Eis ist nicht so süß, es schmeckt echt – und nach dem, was drin ist.» Produziert werden die Dreiecke bei minus 30 Grad Celsius. Um die Masse aus den Formen wieder herauszubekommen, muss diese etwas antauen. Deshalb kommen die Kreationen anschließend noch einmal in einen Schockfroster. «Dadurch behält das Eis seine akkurate Form», erklärt Daniela Pataj-Vogt.

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Immer größer wurde die Nachfrage der Kundschaft nach speziellen Eissorten für Geburtstage, Hochzeiten, Bürobesprechungen oder Firmenevents. «Für eine Büro-Eröffnung haben wir Aperol Spritz-Eis am Stiel kreiert», sagt Pataj-Vogt. «Für eine Hochzeit haben wir Cola-Rum-Eis gemacht, weil das im Freundeskreis gerne getrunken wird.» Auf Wunsch werden Holzstiele und Verpackungen auch mit Logos, Namen oder Bildern versehen. Das kommt gut an: Daniela Pataj-Vogt verschickt ihr Eis inzwischen bundesweit – bis zu 200 Stück geht das per Tiefkühlpost. «Für alles, was darüber liegt, arbeiten wir mit einem Tiefkühl-Logistiker zusammen.»

Konfitüren-Produktion rundet das Geschäft ab

Als die Nachfrage nach dem Eis immer mehr stieg, war klar, dass sie sich darauf konzentrieren muss. Durch eine Freundin erfuhr sie von dem Ladenlokal in Schwachhausen, wo sie Eisproduktion und Ladencafé zusammen betreiben kann. Bis dahin waren Produktion und Verkauf voneinander getrennt. Sie zog 2019 um. «Und dann kam Corona», berichtet die Unternehmerin. In der Zeit entstand die Idee, Konfitüren herzustellen. «Die Früchte, die wir sonst für die Eisherstellung genommen haben, haben wir zu Konfitüren gekocht.» Verkauft werden die Gläser nicht nur im eigenen Eiscafé, sondern auch in besonderen Geschäften in Bremen. «Der Verkauf hat uns in der Coronazeit gerettet», sagt Daniela Pataj-Vogt. So wie auch der Großauftrag aus Wolfsburg. Würde solch eine Anfrage noch einmal kommen, wüsste die Bremerin allerdings, was sie anders machen würde als beim letzten Mal: «Nur eine Sorte Eis produzieren. Das macht die Abläufe einfacher» (Text und Bild: WFB Wirtschaftsförderung Bremen – Jörg Sarbach).

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