Wiesbaden. (bka) Ob Fitnesstracker, smartes Auto oder vollautomatisierte Produktion: Die Digitalisierung schreitet mit großer Dynamik voran und erfasst alle Lebens- und Arbeitsbereiche. Doch der Fortschritt hat auch Schattenseiten: Die steigende Anzahl digitaler Geräte bietet Cyberkriminellen immer neue potenzielle Ziele. Entsprechend stieg die Anzahl der Cyberangriffe in Deutschland auch im Jahr 2018 weiter an. Rund 87.000 Fälle von Cybercrime wurden von der Polizei erfasst, ein Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Ein Anstieg von rund fünf Prozent (271.864 Fälle) war auch bei der Zahl der Straftaten zu verzeichnen, bei denen 2018 das Internet als Tatmittel genutzt wurde. Das geht aus dem jetzt veröffentlichten Lagebild «Cybercrime» des Bundeskriminalamts (BKA) hervor.
«Crime-as-a-Service» aus dem Darknet
Die Vielfalt der digitalen Angriffsziele sorgt dafür, dass auch das Gesamtaufkommen der festgestellten Schadsoftware immer weiter steigt. Cyberkriminelle müssen diese Schadsoftware nicht zwangsläufig selbst erstellen. Auf Marktplätzen im Clearnet, Deepweb und im Darknet werden gegen Bezahlung eine Vielzahl illegaler Angebote gemacht, um zum Beispiel Angriffe auf Firmennetzwerke und Webseiten durchzuführen oder Viren programmieren zu lassen. «Crime-as-a-Service» nennt sich dieses Geschäftsmodell, bei dem neben Schadsoftware auch gestohlene Daten oder Anonymisierungsdienste verkauft werden.
Einer dieser Marktplätze war «Webstresser», eine Plattform, die sich darauf spezialisiert hatte, im Auftrag ihrer Kunden so genannte DDoS-Attacken (Distributed Denial of Service) auf Webseiten durchzuführen. DDoS-Attacken zielen darauf ab, Webpräsenzen, Server und Netzwerke so zu überlasten, das sie nicht mehr erreichbar sind. Mithilfe von «Webstresser» konnten auch Laien diese Angriffe ausführen. Im April 2018 wurde die Seite, die unter anderem in Frankfurt am Main gehostet worden war, im Rahmen einer international koordinierten Maßnahme mehrerer Strafverfolgungsbehörden, an der auch das BKA beteiligt war, vom Netz genommen. Bis zu diesem Zeitpunkt war «Webstresser» für über vier Millionen DDoS-Attacken weltweit eingesetzt worden. Der Administrator der Seite wurde festgenommen und Ermittlungen gegen 250 Nutzer der Plattform aufgenommen.
Gesamtschaden geht zurück, doch das Dunkelfeld ist hoch
Cybercrime verursachte 2018 einen Schaden in Höhe von über 60 Millionen Euro, ein Rückgang um rund 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2017: 71,4 Millionen Euro). Die Zahl bildet jedoch nur ab, was der Polizei bekannt geworden ist. Tatsächlich dürfte sich der Schaden für Unternehmen auf über 100 Milliarden Euro belaufen, wie Schätzungen aus der Wirtschaft im Betrachtungszeitraum 2018/2019 zeigen. Die enorme Differenz erklärt sich auch durch das hohe Dunkelfeld in diesem Phänomenbereich. Besonders Unternehmen zeigen Fälle von Cybercrime und damit verbundene materielle Schäden nach wie vor vergleichsweise selten an. Die Furcht vor einem Vertrauensverlust bei Partnern und Kunden steht dabei dem Interesse entgegen, die Tat strafrechtlich verfolgen zu lassen. Dabei sind Firmen ein bevorzugtes Angriffsziel für Hacker, wobei Kriminelle nicht nur daran interessiert sind, an das Geld der Unternehmen zu gelangen. Auch das Ausspähen technologischen Wissens ist für sie von Bedeutung.
Aufklärung und Prävention auf allen Ebenen hilft
Das BKA rät sowohl Firmen als auch Privatpersonen, jeden Fall von Cybercrime zur Anzeige zu bringen. Zudem sollten präventive Sicherheitsmaßnahmen für Geräte und Prozesse ergriffen werden. Dass dies einen positiven Effekt hat, zeigt sich am Beispiel des Phishings im Online-Banking: 2018 wurden 723 Fälle zum Phänomen Phishing gemeldet, was einem Rückgang von nahezu 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die rückläufigen Zahlen sind darauf zurückzuführen, dass die Banken ihre TAN-Verfahren weiterentwickelt und Sicherheitslücken geschlossen haben.
Insgesamt geht das BKA jedoch auch für die kommenden Jahre von weiter steigenden Fallzahlen im Bereich Cybercrime aus. Um dieser Herausforderung adäquat zu begegnen, arbeitet das BKA derzeit am Aufbau einer Abteilung «Cybercrime». Damit sollen komplexe Ermittlungen und die Bearbeitung herausragender Cybervorfälle gestärkt werden.
Peter Henzler, Vizepräsident beim Bundeskriminalamt: «Cybercrime ist ein Massenphänomen, das nicht nur Privatpersonen, sondern auch die Wirtschaft immer stärker trifft. Cyberangriffe sind für Kriminelle ein lohnendes Geschäftsfeld, bei dem sie auch nicht davor zurückschrecken, im Sinne der Profitmaximierung Kritische Infrastrukturen, wie zum Beispiel Krankenhäuser, zu attackieren. Dem stellt sich das Bundeskriminalamt mit Entschlossenheit entgegen. Unsere Erfolge gegen Plattformen wie «Webstresser» oder «Wall Street Market» belegen das. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus. Künftig wollen wir IT-Spezialisten noch stärker in die kriminalpolizeiliche Arbeit einbinden. Dafür werden im Bundeskriminalamt neue Stellen geschaffen, die wir im Zuge des Aufbaus der Abteilung Cybercrime zeitnah besetzen werden. Unser Ziel ist klar: Wir wollen mit den Tätern nicht nur auf Augenhöhe sein. Wir müssen ihnen voraus sein, um sie für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen» (Foto: pixabay.com).
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