Sonntag, 6. Oktober 2024
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«BreadBot»: Alter Wein in neuen Schläuchen

Hamburg. (eb) «Der Roboter «BreadBot» bäckt zehn Laibe Brot pro Stunde und soll bereits dieses Jahr in US-Lebensmittelgeschäften stehen. Das Gerät ist vom Unternehmen Wilkinson Baking Company entwickelt worden. Das Mixen, Kneten und Backen des Brotteigs dauert lediglich 90 Minuten. Laut Herstellern erfüllt BreadBot seinen Job genauso gut wie sein menschliches Pendant». So steht es geschrieben in einem deutschsprachigen Pressetext, der in der Schlusszeile die Befürchtung US-amerikanischer Bäcker äußert, die kleine Anlage könnte ihnen die Jobs streitig machen.

Um es vorwegzunehmen: «Wilkinson BreadBot» ist keine «bedrohliche Industrie 4.0», die urplötzlich aus dem Nichts auftaucht. Wir erinnern uns: Im Umfeld der IBIE 2007 in Orlando, Florida, hatte die Fachwelt beinahe enthusiastisch die kleine «Bread Bakery» der Wilkinson Baking Company aus Walla Walla im US-Bundesstaat Washington gefeiert. Darüber sind nun mehr als zehn Jahre vergangen und richtig durchsetzen konnte sich die erste kontinuierlich arbeitende, vollautomatische Produktionsanlage bis heute nicht.

Vollautomatisch arbeitende Schaubäckerei im Mini-Format?

So knuffig der kleine Automat anzusehen ist, so kritisch muss man die Resultate betrachten – die ja nicht für den Müll oder die Wiederverwertung produziert werden, sondern für den menschlichen Verzehr freigegeben sind. Hierzu einige Kennzahlen von der Wilkinson-Website:

  • Der Automat produziert zehn Kastenbrote pro Stunde.
  • Die Zeit bis zum ersten fertigen Laib beträgt 90 Minuten.
  • Die kleine Anlage produziert im Sechs-Minuten-Takt.
  • Ein Betrieb rund um die Uhr ist möglich.
  • Ergibt maximal 235 Brote pro Tag (inklusive Reinigung).
  • Benötigt etwa 30 Minuten für die tägliche Reinigung.

Kurzum: Die Anlage ist ziemlich unflexibel, denn Interessenten sind auf Kastenbrote festgelegt. Langzeitführung ist schlecht möglich, denn vom Mixen der Zutaten bis zum Auswurf des ersten Brots vergehen nur 90 Minuten – mit allen Konsequenzen für Geschmack und Aroma.

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Was die deutschsprachige PR-Mitteilung verschweigt: Soweit wir uns erinnern können, hat Wilkinson sein Geschäftsmodell nach dem «Drucker-Prinzip» aufgebaut. Das heißt: Die vollautomatisch arbeitende Anlage soll verhältnismäßig wenig kosten, die zu verwendenden Brotbackmischungen dafür um so mehr. Um deren Verwendung wird man kaum herumkommen, weil sie die einzigen Fertigmischungen sind, die mit allem Drum und Dran auf den «BreadBot» abgestimmt sind. Bei derart kleinen Chargen kann es gar nicht anders sein, als dass die vollständig automatisierte Produktion mit im höchsten Maß standardisierten, nahezu toten Zutaten arbeiten muss. Über den ernährungsphysiologischen Wert dieser Erzeugnisse ließe sich trefflich streiten. Jeder Aufbackautomat kann bessere Ergebnisse abliefern in einer deutlich größeren Vielfalt.

Auf dem US-amerikanischen Markt gibt es allerdings für den «BreadBot» ein bestechendes Argument, auf das wir hierzulande gar nicht kommen: Die Einzugsgebiete der zentralen Großbäckereien sind oft sehr groß und stolz zählt man sich gegenseitig die Verteilungszentren und Routen auf, anhand derer Logistikunternehmen die Erzeugnisse quer durch die Bundesstaaten respektive durchs Land fahren. Nur mal angenommen, man würde nicht mehr tonnenweise Brot bewegen, sondern nur noch die Fertigmischungen dafür, dann ließen sich in der Logistik tatsächlich Einsparungen erzielen. Dann ließe sich vor Ort sogar spontan entscheiden, ob man noch eine Tüte aufreißen will oder nicht – statt allein mit dem zu hantieren, was man an Fertigware bestellt und/oder erhalten hat.

Nicht nur in Übersee, auch in Europa hat Unternehmer Ron Wilkinson für seinen kleinen Alleskönner über 30 Patente angemeldet. Für Interessenten, die nur Fertigmehl und Wasser zusammenrühren wollen, kann der «BreadBot» auch bei uns funktionieren. Der Lebensmittel- Einzelhandel könnte darin ein nettes Gimmick sehen. Für jeden anderen Bäcker, der um die Lebendigkeit seiner Zutaten weiß, mit den täglich wechselnden Variablen in seiner Umgebung zu arbeiten gelernt hat und nicht zuletzt gerne mal kreativ sein möchte, ist der Automat eine Investition, die er sich schenken kann (TitelFoto: pixabay.com – TextFoto: Wilkinson).