Hohenheim. (uh) Ob Elektroauto-Batterien aus Kaffeesatz, Roboter für eine umweltschonendere Landwirtschaft oder Kochen mit Algen – nur mit einem grundlegenden Wandel hin zu einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaft wird es gelingen, die großen Probleme der Menschen in den Griff zu bekommen. Darin sind sich Studierende und Forschende einig, die am Donnerstag, den 23. Januar 2020, an der Universität Hohenheim in Stuttgart den Startschuss für die Aktivitäten zum bundesweiten Wissenschaftsjahr 2020 Bioökonomie gegeben haben. Gemeinsam laden sie die interessierte Öffentlichkeit ein, Bioökonomie zu erleben. Es erwartet sie ein buntes Potpourri von spannenden Veranstaltungen mit monatlichen Themenschwerpunkten. Nach dem Auftaktmonat wird im Februar der Klimawandel im Fokus stehen – siehe Infos und Programm.
Bioökonomie ist das Leitthema der Universität Hohenheim – doch längst noch nicht allen Menschen ein Begriff. Das, wofür sie steht, ist allerdings spätestens seit Fridays for Future in aller Munde: Eine Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, die Erdöl und andere fossile Rohstoffe durch nachwachsende, biologische Stoffe ersetzt.
Denn es sind große Herausforderungen, vor denen die Menschen weltweit stehen. «Die Weltbevölkerung wächst und muss auch künftig ausreichend und gesund ernährt werden», erklärt Prof. Dr. Iris Lewandowski, Chief Bioeconomy Officer (CBO) an der Universität Hohenheim. «Doch der Klimawandel und eine Ausbeutung natürlicher Ressourcen erschweren dies. Wenn wir einer Lösung dieser Probleme näherkommen wollen, brauchen wir die Bioökonomie.»
«Aber einen Wechsel schaffen wir nur alle zusammen», gibt Prof. Dr. Andrea Kruse, wissenschaftliche Leiterin des Wissenschaftsjahres an der Universität Hohenheim, zu bedenken. «Daher ist es wichtig, die Bioökonomie auch für die Bevölkerung greifbar zu machen.»
Im Wissenschaftsjahr 2020 rückt das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Bioökonomie nun zwölf Monate lang bundesweit ins Rampenlicht. Die Universität Hohenheim beteiligt sich mit monatlichen Themenschwerpunkten, vielfältigen Veranstaltungen und spannenden Einblicken in die Forschung.
«Den thematischen Bogen spannen wir in Hohenheim von den biologischen Grundlagen über die Pflanzen- und Tierproduktion und neue technische Verfahren bis zu notwendigen Veränderungsprozessen in Wirtschaft und Gesellschaft», berichtet Prof. Dr. Stephan Dabbert, Rektor der Universität Hohenheim.
Bioökonomie erleben: Spaß und Spannung für Jung und Alt
Im Wissenschaftsjahr laden Feld- und Hoftage dazu ein, die Hohenheimer Versuchsstationen kennenzulernen. Ein «Schaufenster der Bioökonomie» versprechen zahlreiche Vorträge, und «Forschung vor Ort» bietet Einblicke in die Arbeit der Institute. Das «Café Scientifique» lädt dazu ein, sich bei Kaffee, Wein oder Bier in der Stuttgarter Innenstadt über Forschungsthemen zu informieren und auszutauschen. Wer lieber tagsüber dabei sein möchte, kann bei den «Brown Bag Lectures» zur Mittagszeit Neues erfahren.
Auch das Ausstellungsschiff MS Wissenschaft, das schwimmende Science Center, geht deutschlandweit auf Tour und präsentiert wissenschaftliche Exponate. Mit von der Partie ist die Universität Hohenheim. Der jährliche Tag der offenen Tür im Juli wird ebenfalls im Zeichen der Bioökonomie stehen. Die Nachhaltigkeitswoche im Mai gestalten die Studierenden, und ein Bioökonomie-Festival für Jung und Alt ist ebenfalls in Planung. Das Zukunftsforum 2030 im Dezember wird das Wissenschaftsjahr in Hohenheim abschließen und einen Blick in die Zukunft werfen.
Ergänzt wird das bunte Programm unter anderem von Ausstellungen, Videos und Social Media-Aktivitäten (#Wissenschaftsjahr, #DasistBioökonomie).
Monatliche Themenschwerpunkte zeigen Bandbreite der Bioökonomie
Jeden Monat wird bei den Veranstaltungen an der Universität Hohenheim ein anderes Thema besonders im Fokus stehen. Weitere Off-Topic-Veranstaltungen ergänzen jeweils den monatlichen Themenschwerpunkt. Nach dem Auftaktmonat wird sich alles um den Klimawandel drehen: «Aufgrund der Umwälzungen, die in diesem Jahrhundert zu erwarten sind, ist es notwendig, die Potenziale der Bioökonomie in Verbindung mit dem Klimawandel zu betrachten», erklärt Klimaexperte Prof. Dr. Volker Wulfmeyer. «Außerdem liefert die Bioökonomie eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Minderung der Emission von Treibhausgasen.»
Januar: Wissenschaftsjahr 2020 – das ist Bioökonomie
Die Bioökonomie baut darauf, erneuerbare biologische Ressourcen und biologisches Wissen zu nutzen. Es geht darum, neue Lebensmittel und biobasierte Materialien, chemische Bausteine und Energiequellen zu entwickeln und zu bewerten.
Das waren die Termine im Januar
Februar: Klimawandel und Co. – darum brauchen wir Bioökonomie
Der Februar steht im Zeichen der Klimaforschung. Weltweit stehen die Menschen derzeit vor großen ökologischen Herausforderungen, und eine der größten ist der menschengemachte Klimawandel. Das macht es notwendig, dass sich die heutige Wirtschaftsform wandelt – weg von fossilen Rohstoffen und hin zu einer nachhaltigen Nutzung natürlicher Stoffe und Ressourcen: zur Bioökonomie.
Das waren die Termine im Februar
Monatliche Themenschwerpunkte ab März
März: Ressourcen schonen – Kreislaufwirtschaft und wirtschaftliche Entwicklung
Die Bioökonomie zielt darauf ab, vorhandene Ressourcen nachhaltig und effizient zu nutzen. Kreislaufwirtschaft schafft die Möglichkeit dazu: denn dabei bleiben alle Produkte und Rohstoffe möglichst lange im Einsatz. So ist es z.B. sinnvoll, die endliche Ressource Phosphor – ein wichtiger Nährstoff für Mensch, Tier und Pflanze – zu recyceln oder möglichst viel klimaaktiven Kohlenstoff dem Kreislauf zu entziehen.
April: Nachwachsende Rohstoffe und Co. – Alternativen für die Zukunft
Ob Dämmmaterial, chemische Grundstoffe für die Kunststoffherstellung oder Bioherbizide: Nachwachsende Rohstoffe wie etwa das Biomassegras Miscanthus bieten vielfältige Alternativen zu Erdöl oder Kohle. Auch viele Reststoffe lassen sich im Rahmen einer biobasierten Wirtschaft nutzen, ohne mit der Nahrungsmittelproduktion zu konkurrieren.
Mai: Rind, Schwein und Huhn – die Tierhaltung der Zukunft
In Zeiten des Klimawandels und wachsender Weltbevölkerung steht die Tierhaltung besonders auf dem Prüfstand. Die Forschung trägt dazu bei, die Haltungsbedingungen und die Ernährung zu optimieren und so zum Beispiel Emissionen von Treibhausgasen zu mindern. Das ist nicht nur im Sinne einer Bioökonomie, sondern geschieht auch zum Wohl der Tiere.
Juni: Bienen, Schmetterlinge und Co. – wie Bioökonomie zur Artenvielfalt beiträgt
Die biologische Vielfalt ist eine unerlässliche Ressource für die biobasierte Wirtschaft. Doch der Artenrückgang ist ein großes Problem der heutigen Zeit. Die Universität Hohenheim forscht für mehr Artenvielfalt in Stadt und Land. In der Landwirtschaft gewinnen alternative Anbaumethoden an Bedeutung. Auch Farming 4.0 trägt dazu bei, die Umwelt zu entlasten – und damit die Artenvielfalt zu erhöhen.
Juli: Hülsenfrüchte, Algen, Insekten – alternative Proteinquellen
Werden eiweißhaltige Lebensmittel vor allem auf Basis tierischer Produkte erzeugt, belastet das Klima und Umwelt – denn der Verbrauch an Land-, Wasser- und Energieressourcen ist dabei immens. In der Bioökonomie kommt daher der Erschließung neuer Proteinquellen eine Schlüsselrolle zu. Hülsenfrüchte, Algen und Insekten sind hochwertige Eiweißlieferanten – sie stehen im Monat Juli im Fokus.
August: Mobilität – nachhaltig unterwegs dank Bioökonomie
Nachhaltig mobil: Im Reisemonat August demonstriert die Universität Hohenheim, was die Bioökonomie-Forschung zu diesem Ziel beitragen kann. Beispielsweise zeigt sie, wie sich aus Biomasse künftig Batterien für Elektroautos herstellen lassen – und sie stellt auch ihr eigenes, umfassendes Mobilitätskonzept vor.
September: Sonne, Biogas und Co. – Energie der Zukunft
Bioenergie ergänzt andere erneuerbare Energien wie Wind- oder Wasserkraft im Sinne der Bioökonomie. Die Forschung in Hohenheim untersucht zum Beispiel, wie sich Biogasanlagen effizienter gestalten lassen, wie Agrofotovoltaik für eine Ernte auf zwei Etagen sorgt oder wie Biomethan als Antrieb von Arbeitsmaschinen dienen kann.
Oktober: Ernährungssicherung – gesundes Essen für alle
Eine nachhaltige und zugleich ertragreiche Landwirtschaft ist ein wichtiges Ziel einer biobasierten Wirtschaft. Es gilt, die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern – und die Forschung bildet dafür eine wichtige Grundlage. Dazu entwickelt sie beispielsweise moderne Agrarsysteme und nimmt auch den weiteren Weg der Lebensmittel unter die Lupe.
November: Wirtschaft und Gesellschaft – bioökonomisch leben
Beim Übergang zu einer biobasierten Wirtschafts- und Lebensweise muss die gesamte Gesellschaft einbezogen werden. Die Forschung geht den sozialen, politischen und ökonomischen Aspekten dieses Wandels auf den Grund – und unterstützt pfiffige Ideen, mit denen jeder im Alltag selbst dazu beitragen kann.
Dezember: Zukunftsforum 2030 – Rückblick und Ausblick
Im letzten Monat des Wissenschaftsjahres zieht die Universität Hohenheim Bilanz und diskutiert, wo die Bioökonomie derzeit steht. Vor allem aber blickt sie nach vorne – auf die Zukunft der biobasierten Wirtschaftsweise in Baden-Württemberg, in Deutschland und in der Welt.
Ein detailliertes Jahresprogramm steht auf der Homepage der Uni Hohenheim zur Verfügung und wird laufend ergänzt.
Bioökonomie an der Universität Hohenheim verbindet alle Fakultäten
Ihr Leitthema Bioökonomie hat die Universität Hohenheim seit 2013 in ihrem jeweiligen Struktur- und Entwicklungsplan verankert. Es verbindet daher die agrarwissenschaftliche, die naturwissenschaftliche sowie die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fakultät.
Diesen universitätsweiten Forschungsschwerpunkt strategisch weiterzuentwickeln ist Aufgabe des Chief Bioeconomy Officer (CBO), Prof. Dr. Iris Lewandowski. Um das Thema gezielt an der Universität umzusetzen, gibt es das Forschungszentrum für Bioökonomie.
Einrichtungen wie das Bioraffinerie-Technikum am Unteren Lindenhof, das die Integration der Bioraffinerie-Konzepte in einen landwirtschaftlichen Betrieb demonstriert, oder das Lebensmittel-Technikum zeigen den starken Praxis-Bezug auf. Auch die Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie versteht sich als Bindeglied zwischen universitärer Forschung und landwirtschaftlicher Praxis.
Bioökonomie-Forschung: Landesweit und international gut vernetzt
International ist die Universität Hohenheim in Sachen Bioökonomie hervorragend vernetzt: Mit der European Bioeconomy University schmiedete sie eine Allianz, um diese nachhaltige Wirtschaftsweise in Europa voranzutreiben. Bei dieser Initiative haben sich Europas sechs in der Bioökonomie führende Universitäten zusammengeschlossen.
Engagiert ist die Universität Hohenheim auch im EU Knowledge and Innovation Community (KIC) EIT Food: Zu der KIC haben sich europaweit 50 Forschungseinrichtungen und Unternehmen zusammengetan, finanziert durch das Europäische Institut für Technologie und Innovation (EIT).
Auch landesweit setzt die Universität Hohenheim im Forschungsprogramm Bioökonomie Baden-Württemberg wichtige Akzente. Die Geschäftsstelle des Landesprogramms ist zudem an der Universität Hohenheim angesiedelt.
Zukunft der Bioökonomie: Nachwuchskräfte dringend nötig
Der Umbau der Wirtschaft zur Bioökonomie erfordert vor allem aber auch eine neue Generation von Fachkräften. Die Universität Hohenheim sieht es deshalb als gesellschaftliche Aufgabe, ihre Expertise an Studierende zu vermitteln.
Sie bildet daher unter anderem im Master-Studiengang Bioeconomy aus, bietet den Master-Studiengang Earth and Climate System Science an sowie den Studiengang Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie für Bachelor und Master. Außerdem fördert sie Promotionen mit dem Schwerpunkt Bioökonomie.
Hintergrund: Definition des Begriffs Bioökonomie
Basis der Lehre und Forschung zur Bioökonomie an der Universität Hohenheim ist die folgende Definition aus dem aktuellen Struktur- und Entwicklungsplan (2018-2022): «Bioökonomie ist die nachhaltige Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen sowie biologischen Wissens zur Bereitstellung von Produkten, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines modernen und zukunftsfähigen Wirtschaftssystems. Ihre Rohstoffe sind bio-basiert, sie stammen von Pflanzen, Tieren, Mikroorganismen oder aus organischen Abfallströmen. Auch bei den Produktionsverfahren nutzt sie biologische Prozesse für eine nachhaltigere sowie energie- und ressourcenschonende Produktion im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft. Die Bioökonomie spannt den Bogen von der Pflanzen- und Tierproduktion über neue, vor allem biotechnologische Konversionsverfahren bis zu den notwendigen Veränderungsprozessen in Wirtschaft und Gesellschaft.»
Hintergrund: Wissenschaftsjahr 2020 Bioökonomie
2020 steht das Wissenschaftsjahr im Zeichen der Bioökonomie – und damit einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsweise. Es geht darum, natürliche Stoffe und Ressourcen nachhaltig und innovativ zu produzieren und zu nutzen und so fossile und mineralische Rohstoffe zu ersetzen, Produkte umweltverträglicher herzustellen und biologische Ressourcen zu schonen. Das ist in Zeiten des Klimawandels, einer wachsenden Weltbevölkerung und eines drastischen Artenrückgangs mehr denn je notwendig. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgerichtete Wissenschaftsjahr Bioökonomie rückt das Thema ins Rampenlicht. Die Bioökonomie ist das Leitthema der Universität Hohenheim in Forschung und Lehre. Sie verbindet die agrarwissenschaftliche, die naturwissenschaftliche sowie die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fakultät. Im Wissenschaftsjahr Bioökonomie informiert die Universität Hohenheim in zahlreichen Veranstaltungen Fachwelt und Öffentlichkeit zum Thema (Foto: pikrepo.com).
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