Freitag, 19. April 2024

Bio-Lebensmittel sind in Frankreich immer präsenter

Berlin. (gtai) Der Verkauf von Bio-Lebensmitteln in Frankreich hat sich im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahr um rund 20 Prozent erhöht. Für das Gesamtjahr schätzt die Branchenorganisation Agence Bio den Absatz auf 6,9 Milliarden Euro. Der aktuelle Boom betrifft dabei die gesamte Wertschöpfungskette von der Landwirtschaft über die Nahrungsmittelproduktion bis zum Vertrieb. Alle großen Einzelhandelsketten haben heute Bio-Produkte in ihrem Sortiment, die Zahl der Bioläden wächst kontinuierlich – berichtet Germany Trade + Invest (GTAI) in einem Marktüberblick.

Bio gehört zur täglichen Ernährung

Neun von zehn Franzosen haben schon Bio-Lebensmittel konsumiert, wie dem im Auftrag der Agence Bio erstellten Barometer für 2015 zu entnehmen ist. Immerhin 65 Prozent der hierzu Befragten gaben an, mindestens einmal im Monat Bio-Waren zu kaufen. Zwar ist der Marktanteil am gesamten Lebensmittelverkauf mit 2,9 Prozent absolut gesehen immer noch gering, hat sich aber im Lauf der letzten Jahre stetig erhöht. Das spiegelt sich in der immer stärkeren Präsenz in den Auslagen auch des traditionellen Lebensmittel- Einzelhandels sowie in der Expansion von Bio-Supermärkten. Letztere konnten in der Folge im ersten Halbjahr 2016 beim Umsatz mit einem Plus von etwa 25 Prozent noch rascher zulegen als herkömmlich Super- und Hypermärkte, die im selben Zeitraum etwa 18 Prozent mehr Bio-Produkte verkauften als ein Jahr zuvor.

Umsatz mit Bio-Lebensmitteln nach Verkaufskanälen in Frankreich in Millionen Euro

Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Supermärkte, Hypermärkte 1.391 1.617 1.844 1.910 2.035 2.224 2.469
Bioläden, Bio-Supermärkte 1.169 1.222 1.377 1.425 1.551 1.725 2.019
Lebensmittel-Handwerk 138 159 170 193 220 238 274
Direktverkauf 359 389 423 492 577 643 772
Kantinen 92 130 158 169 172 191 225
Insgesamt 3.149 3.517 3.922 4.189 4.555 5.021 5.759

Quelle: Agence Bio

Besonders der großflächige Lebensmittel- Einzelhandel hat in Frankreich in den letzten Jahren einen schärferen Wettbewerb über den Preis erlebt und sucht Möglichkeiten, den Anteil teurerer Produkte im Sortiment zu erhöhen. Die Konsumenten zweifeln ihrerseits immer öfter an der Qualität der von der Nahrungsmittelindustrie angebotenen Waren, diverse Skandale bestärken sie in ihrem Misstrauen. Premiumprodukte kleiner und mittelgroßer Unternehmen (KMU), lokal hergestellte Lebensmittel und – oft in Verbindung damit – Bio-Produkte erhalten so zunehmend den Vorzug.

Anpassungen im Einzelhandel

Der Einzelhandel reagiert nicht nur mit der zunehmenden Referenzierung von Biowaren. Die großen Ketten wie Auchan, Carrefour oder Casino haben längt ihre eigenen Bio-Marken etabliert und gehen nun mit der Eröffnung eigener Bio-Supermärkte einen Schritt weiter. Während Carrefour dabei seit Anfang 2016 auf die Erweiterung des bestehenden Konzepts setzt, und die Stammmarkte auch in der neuen Kette Carrefour Bio beibehält, ist der Eigentümer Casino bei der Bio-Kette Naturalia nicht ohne weiteres zu erkennen. Auch von neuen Playern wie Bio C’Bon oder NaturéO bekommen die traditionellen Biomärkte wir Biocoop und La Vie Claire zusätzlich Konkurrenz – bei den derzeitigen Wachstumsraten zunächst kein Problem.

Einzelhandelsumsatz nach Warengruppen und Verkaufskanälen 2015 in Millionen Euro

Warengruppe Gesamt Supermärkte, Hypermärkte Bioläden, Bio-Supermärkte Lebensmittel-Handwerk Direktverkauf
Obst 485 153 223 6 104
Gemüse 490 127 202 5 156
Milch 306 245 49 12
Milchprodukte 405 231 108 2 64
Eier 287 177 92 3 15
Rindfleisch 231 147 13 36 35
Schweinefleisch 69 36 15 8 10
Lammfleisch 42 18 3 11 9
Geflügel 160 79 46 3 31
Wurstwaren 101 63 34 2 2
Fisch, Meeresfrüchte 117 92 13 12 1
Speisezubereitungen 149 68 80 2
Tiefkühlwaren 77 65 8 4
Sonstige Lebensmittel (süß) 678 267 394 6 11
Sonstige Lebensmittel (salzig) 581 266 310 1 4
Vegetarische Getränke und Suppen 100 47 51 1
Säfte, Erfrischungsgetränke 167 115 44 8
Wein 670 117 155 124 274
Cidre, Bier, andere Alkoholika 23 8 4 1 10

Quelle: Agence Bio

Starke Zunahme der Anbauflächen

Passend zur Verbindung Bio und lokal stammt ein weit überwiegender Teil der in Frankreich verkauften Bio-Lebensmittel aus der Region: 76 Prozent der zwischen Rhein und Pyrenäen konsumierten Bio-Produkte wurden auch im Land hergestellt. Entsprechend dynamisch schwappt die Bio-Welle derzeit durch die Landwirtschaft, wo 2015 zweistellige Wachstumsraten sowohl bei der Zahl der Betriebe als auch bei der Anbaufläche erreicht wurden. Bis 2018, so schätzen Branchenvertreter, wird zum Beispiel der Anteil der Bio-Milch auf rund 30 Prozent der gesamten Produktion steigen. Vor allem auch ein Effekt wirtschaftlicher Kenngrößen: Während konventionelle Milchproduzenten unter sinkenden Absatzpreisen stöhnen, war der Preis für Bio-Milch in den letzten Jahren auf hohem Niveau stabil.

Entwicklung der ökologischen Lebensmittelwirtschaft in Frankreich

Messgröße 2005 2010 2014 2015*) Veränderung 2014/2015 (%)
Zahl der biologischen landwirtschaftlichen Betriebe 11.401 20.603 26.466 28.725 8,5
Anteil an Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe (%) 1,89 3,96 5,79 6,47 11,7
Zahl der Hersteller und Distributoren von Bio-Lebensmitteln 4.995 10.458 12.919 13.491 4,4
Anbaufläche der biologischen Landwirtschaft (ha) 550.538 845.110 1.117.553 1.311.000 17,3
.zertifiziert (ha) 504.565 571.512 969.214 1.004.000 3,6
.in Umwidmung (ha) 45.974 273.598 148.339 307.000 107,0
Anteil der biologischen Landwirtschaft an der gesamten Anbaufläche (Prozent) 2,01 3,12 4,14 4,85 17,3

*) Schätzung
Quelle: Agence Bio

Bei den Importen handelt es sich etwa zur Hälfte um exotische Früchte und tropische Gemüsesorten und zur Hälfte um Einfuhren aus anderen europäischen Ländern. Eine besondere Rolle im Export spielt Wein aus biologisch angebauten Trauben, der allein circa zwei Drittel des Wertes der französischen Ausfuhren von Bio-Waren ausmacht. Auch bei den Verkäufen von Bio-Wein verzeichnet die Agence Bio im ersten Halbjahr 2016 eine Zunahme von zehn Prozent.

Kritische Verbraucher

Der breitere Trend zu Lebensmitteln mit speziellen Qualitätseigenschaften zeigt sich nicht nur in der Nachfrage nach Bio-Produkten, sondern auch im wachsenden Angebot von Waren «ohne» bestimmte Inhaltsstoffe. Um zwölf Prozent hat sich im Jahr 2015 zum Beispiel der Verkauf glutenfreier Lebensmittel erhöht. Wurstwaren ohne Antibiotika, Produkte, die ohne Konservierungsstoffe, den Einsatz von Palmöl oder genetisch modifizierten Organismen erzeugt wurden, erfreuen sich trotz etwas höherer Preise zunehmender Beliebtheit.

Eine weitere ehemalige Domäne des spezialisierten Angebots der Bioläden, die beginnt, ein breiteres Publikum zu finden, sind vegetarische oder vegane Produkte. Zwar haben traditionelle Anbieter wie Biocoop oder Naturalia hier noch die größte Vielfalt zu bieten. Längst haben aber die Supermärkte den Trend entdeckt, etwa Carrefour mit der Marke Veggie. Statistiken zeigten für 2015 einen Rückgang des Rindfleisch-Konsums in Frankreich um fünf Prozent. Die Nahrungsmittelindustrie will hier nichts verpassen. So kündigte der Wurstwaren-Produzent Fleury Michon eine ganze Serie vegetarischer Produkte an.

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