Freitag, 19. April 2024
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BGHW: über Prävention von Raubüberfällen im Handel

Berlin. (bghw) Rund elf Millionen Euro Schaden verursachen Raubüberfälle im Handel jährlich. Nicht beziffern lassen sich die psychischen Schäden, die oft bei traumatisierten Angestellten zurückbleiben. Mit verschiedenen Präventionskonzepten versuchen Polizei und Berufsgenossenschaften, das Risiko für Betriebe zu minimieren und die Beschäftigten zu schützen. Eine Studie der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) und der Deutschen Hochschule der Polizei (DHdP) belegt: Am wirksamsten ist eine Kombination aus technischer, verhaltens- und organisationsbezogener Vorbeugung. Die Studie ausführliche «Raubstraftaten im Handel» aus der Schriftenreihe der DHdP steht auf dem BGHW-Server zum Download bereit.

Die Prävention von Raubüberfällen stand denn auch im Mittelpunkt eines Fachforums der BGHW Anfang März in Berlin. Im Fokus die erwähnte BGHW-DHdP-Studie, die erst Ende letzten Jahres veröffentlicht wurde. Unter der Fragestellung «Raubstraftaten im Handel – wie wirksam sind Präventionsmaßnahmen?» stellten hochkarätige Referenten die Ergebnisse des Forschungsprojekts vor und diskutierten anschließend mit rund 120 Teilnehmenden über die praktischen Aspekte von Prävention und Rehabilitation.

Praktische Empfehlungen

Was können Unternehmerinnen und Unternehmer generell tun, um einem Überfall vorzubeugen? Besonders bewährt haben sich etwa im Lebensmittelhandel die Nutzung von Zeitverschlussbehältnissen, eine regelmäßige Abschöpfung des Bargeldbestands und der Einsatz von Videokameras. Weitere Stichpunkte:

  • Abendstunden bevorzugt: Weitere Präventionsmaßnahmen können eine gute Beleuchtung sein, die Sicherung von Zugängen, ausreichend Personal, gerade in den von Tätern bevorzugten Abendstunden sowie der sichtbare Hinweis auf wenig verfügbares Bargeld. «Diese Maßnahmen können auf jeden Fall das Überfallrisiko verringern», sagt Dorothea Kraft vom Fachbereich Handel und Logistik (FBHL), die die Studie von BGHW-Seite unterstützte. Allerdings gibt die Präventionsexpertin zu bedenken, dass der technischen und organisatorischen Prävention auch deutliche Grenzen gesetzt seien. Denn häufig agierten Täter unberechenbar und ließen sich auch von Schildern und Kameras nicht abschrecken. Deshalb komme, neben technischen und organisatorischen Maßnahmen, dem Verhalten der Angestellten eine herausragende Rolle zu. Denn, so ein weiteres Studienergebnis, die Wahrscheinlichkeit körperlich verletzt zu werden, ist deutlich erhöht, wenn der Beschäftigte Widerstand leistet oder den Räuber behindert. Deshalb empfehlen sowohl BGHW als auch Polizei, immer den Forderungen der Täter nachzukommen, sie nicht zu provozieren und Ruhe zu bewahren.
  • Reaktionen üben: Die Schulung von Mitarbeitenden im Handel sollte deshalb nicht nur Informationen über richtiges Verhalten beinhalten. Betriebsanweisungen und regelmäßige Unterweisungen reichen nicht. Idealerweise sollten «realitätsnahe und an die betrieblichen Gegebenheiten» angepasste Reaktionen und Handlungsweisen eingeübt werden, empfehlen die Autoren. Die Beschäftigten müssen das Rüstzeug erhalten, um kritische Situationen richtig einschätzen zu können und so zu handeln, dass die Täter nicht aggressiv werden.
  • Anweisungen des Arbeitgebers präzise befolgen: Auch sollte das Unternehmen sein Augenmerk darauf richten, dass die Belegschaft Sicherheitsmaßnahmen akzeptiert und Anweisungen richtig befolgt. «Wenn zum Beispiel Vorgaben zur Bargeldabschöpfung nicht eingehalten werden oder ein Nachtschalter in der Praxis nicht genutzt wird, besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf», sagt Kraft.
  • Die Mischung macht’s: Zusammenfassend kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass es die Mischung macht. Abgestimmt auf die örtlichen und personellen Gegebenheiten, sollte jeder Betrieb für sich ein individuelles Paket aus technischen, organisatorischen und verhaltensbezogenen Maßnahmen zur Raubprävention schnüren.
  • Legitime Hilfe: Ein Unternehmen, das auf diese Weise in Präventionsmaßnahmen investiert, profitiert in mehrfacher Hinsicht. Einerseits wird das Überfallrisiko gesenkt, Kunden und Beschäftigte fühlen sich sicherer. Anderseits tritt das Unternehmen als kunden- und mitarbeiterfreundlicher Betrieb positiv in der Öffentlichkeit auf. «Und es deutet einiges darauf hin, dass ein Unternehmen, das sich nach außen sichtbar kümmert, auch für Täter uninteressanter wird», ergänzt Kraft.
  • Psychische Folgen von Raubüberfällen: Nicht unerwähnt bleiben in der Studie die psychischen Folgen von Raubüberfällen, die häufig eine professionelle, kurzfristig verfügbare psychologische Hilfe erfordern, wie sie die BGHW nach jedem gemeldeten Raubüberfall anbietet. Insbesondere bei den betroffenen Unternehmen ist das Soforthilfeangebot der BGHW bekannt. Mittlerweile werden der BGHW auch recht viele Überfälle ohne körperliche Schädigungen gemeldet. Ein Indiz dafür, dass mittlerweile in vielen Unternehmen angekommen ist: Verletzungen müssen nicht immer körperlicher Natur sein, und es ist legitim, nach einem Überfall psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Zurück zum BGHW-Fachforum, bei dem sich Anfang März in Berlin alles um Raubstraftaten im Handel drehte und die Einsicht, dass Gegenwehr immer riskant ist. Dr. Stefan Wiltz, Vorsitzender des Präventionsausschusses der BGHW, berichtete über die Entstehungsgeschichte des Forschungsprojekts und stellte die Bedeutung der Kooperation mit der Polizei heraus. Für ihn zeigt die Studie außerdem eindrucksvoll, dass es sich für Unternehmen lohnt in Präventionsmaßnahmen zu investieren. «Das Überfallrisiko wird gesenkt. Kunden und Beschäftigte fühlen sich sicherer», so Wiltz. Auch die gute Schulung des Personals ist für Wiltz ein wichtiger Aspekt der Prävention: «Geschulte Mitarbeiter können sehr viel dazu beitragen, gefährliche Situationen zu entschärfen».

Professor Thomas Görgen von der Deutschen Hochschule der Polizei ging in seinem Vortrag näher auf die Ergebnisse der Studie ein und erläuterte die wissenschaftliche Methodik. Er beschrieb die typischen Muster, nach denen ein Raubüberfall abläuft: Die meisten Fälle ereigneten sich in den Abendstunden, kurz vor oder nach Ladenschluss. Görgen: «Die Täter bevorzugen nicht nur den Schutz der Dunkelheit, sondern wählen auch die Zeitpunkte, an denen möglichst wenig Kunden und Beschäftigte im Geschäft sind».

Martin Kögler, Referent medizinische Rehabilitation bei der BGHW, stellte anschließend die psychologische Soforthilfe der BGHW vor. Seiner Einschätzung nach wird die Bedeutung der psychologischen Betreuung von Opfern nach Raubstraftaten. «Unser oberstes Ziel ist es dabei immer, den betroffenen Versicherten schnell, unbürokratisch und effektiv zu helfen», sagt Kögler.

Eine abschließende Podiumsdiskussion erläuterte unter Leitung von Moderator Karl-Josef Thielen, Leiter der BGHW-Unternehmenskommunikation, wie die Empfehlungen der Studie in die Praxis umgesetzt werden können (Foto: BGHW).

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