Freitag, 29. März 2024
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Aryzta AG: Konzern steht am Scheideweg

Zürich / CH. (eb) Über den «Gipfel des Grauens» berichtet in dieser Woche das eidgenössische Magazin «Bilanz» und meint damit die Vorgänge bei der irisch-schweizerischen Aryzta AG. Aus heiterem Himmel kommen die kritischen Anmerkungen nicht, hat doch der Global Player in Sachen Gipfeli + Co. erst vor wenigen Tagen seine Kennzahlen für das Geschäftsjahr 2018 veröffentlicht, das bei den Großbäckern am 31. Juli endete. Zudem präsentierte Aryzta weitere Details zur geplanten Kapitalerhöhung von 800 Millionen Euro. Die Verlautbarung im Original «FY-2018 results and further capital raise details» finden Interessenten auf bakenet:eu.

Um es vorwegzunehmen: Das Ergebnis entsprach den Erwartungen. Der Gesamtumsatz ging um 9,5 Prozent auf 3’435 Millionen Euro zurück. Der Umsatz von Aryzta Europe sank um 1,6 Prozent auf 1.710,6 Millionen Euro. Aryzta North America verzeichnete ein Minus von 18,4 Prozent auf 1’468,0 Millionen Euro. Der Umsatz von Aryzta Rest der Welt sank um 0,9 Prozent auf 256,8 Millionen Euro. Das bereinigte Ebitda sank um 28,2 Prozent auf 301,8 Millionen Euro. Die bereinigte Ebitda-Marge fiel um 230 Basispunkte auf 8,8 Prozent. Der bereinigte Jahresüberschuss sank um 72,3 Prozent auf 49,6 Millionen Euro. Der Betriebsverlust nach IFRS betrug 423,3 Millionen Euro. Der Jahresverlust nach IFRS erreichte 470,0 Millionen Euro.

Nachdem der Konzern in der Vergangenheit Mängel in der Unternehmensführung hatte erkennen lassen, war es eine der Hauptaufgaben in diesem Jahr, die Führungsstrukturen zu modernisieren, die Strategie neu auszurichten, das Spitzenmanagement neu aufzubauen und das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Aryzta hat einen neuen CEO, CFO, Chief Strategy Officer, Chief People Officer, General Counsel und neue CEOs des nordamerikanischen und europäischen Geschäfts ernannt. Insgesamt sind seit September 2017 sieben der neun Mitglieder der Geschäftsleitung, darunter der CEO und der CFO, ernannt worden. Darüber hinaus erneuerte sich der Konzern auf Vorstandsebene. Nach der Hauptversammlung 2018 soll der Aryzta-Vorstand, vorbehaltlich der Zustimmung aller Aktionäre, aus zehn Direktoren mit einer Amtszeit von im Schnitt zwei Jahren bestehen.

Es erübrigt sich, an dieser Stelle aus dem «Ausblick 2019» zu zitieren. Dessen Umsetzbarkeit hängt wesentlich vom Gelingen der geplanten Kapitalerhöhung ab (siehe: «Aryzta AG kündigt Kapitalerhöhung an»). Führende Finanzfachleute sind sich einig, dass die Maßnahme ziemlich spät kommt, 800 Millionen Euro ein ehrgeiziges Ziel sind, und das realistische Ergebnis sich eher bei 500 bis 600 Millionen Euro einpendeln dürfte.

In diesem Lichte lohnt es sich, einen Blick auf den eingangs erwähnten «Gipfel des Grauens» zu werfen, wie ihn das Magazin «Bilanz» beschreibt. Es würde zumindest das teils widersprüchliche Verhalten der neuen Führungsriege erklären sowie die Tatsache, dass die geplante Kapitalerhöhung tatsächlich ziemlich spät kommt, wenn nicht zu spät. Was bei Aryzta stattfinde, sei indirekt ein Kampf der Gläubiger gegen die Aktionäre, schreibt das Magazin. Ein Kampf, der den Konzern zerreißen könnte. Mit ihren ausgeklügelten Kreditklauseln bestimmen einerseits die Banken, wo es langgeht. Andererseits sei seitens der Aktionäre mit deutlichem Widerstand zu rechnen, was die Kapitalerhöhung angeht.

Die dritte Front ist operativer Natur: Immer mehr Kundenaufträge bleiben aus, weil lukrative Abnehmer zunehmend zum Insourcing übergehen und ihren Bedarf an Brot und Gebäck selbst backen. In der Schweiz zum Beispiel Coop, Stichwort Schafisheim, wodurch rund 80 Millionen Euro Umsatz per Anno für Aryzta verloren gingen – siehe «Für Coop beginnt ein neues Zeitalter». Auch die bundesdeutsche Bonback, die exklusiv für den Discounter Lidl bäckt, wird an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig sein – siehe «Lidl auf dem Weg zum Selbstversorger». Der Marktdruck ist hoch, nötige Preiserhöhungen kaum durchsetzbar. Wir werden sehen, wie es mit Aryzta weitergeht (Foto: pixabay.com).

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