Münster. (agr) Die Agravis Raiffeisen AG hat auch im zweiten Dürrejahr hintereinander umsatzmäßig solide Ergebnisse erreicht. «Operativ waren wir als Agravis gut im Markt unterwegs, wie der Umsatz von rund 6,5 Milliarden Euro zeigt. Damit haben wir unser geplantes Umsatzziel erreicht. Ermöglicht haben dies unsere Vertriebsstärke, unsere Marktkenntnis, unsere Kundennähe und das Know-how der rund 6.500 Mitarbeiter, die einen guten Job gemacht haben», bilanzierte Agravis-Vorstandschef Dr. Dirk Köckler.
Das Ergebnis vor Steuern liegt aber durch Einmal-Belastungen wegen einer Kartellbuße bei minus 20,5 Millionen Euro. «Ganz bewusst haben wir uns nach umfangreicher juristischer Analyse und in voller Übereinstimmung mit dem Aufsichtsrat Ende 2019 dazu entschieden, das Kartellverfahren wegen des Vorwurfs von Preisabsprachen im Pflanzenschutz außergerichtlich und einvernehmlich zu beenden. Diese Einigung war mit einer Bußgeldzahlung in Höhe von 43,7 Millionen Euro verbunden. Diese Summe ist schmerzlich. Sie führt dazu, dass wir das Geschäftsjahr 2019 mit einem Verlust vor Steuern von 20,5 Millionen Euro abschließen», sagt Dr. Köckler weiter. Er betonte allerdings auch, dass die Agravis Raiffeisen AG solide aufgestellt sei, über Reserven und eine ausreichende Eigenkapitalausstattung verfüge. «Das Bußgeld ist mit dem Geschäftsabschluss 2019 vollständig verarbeitet. Der Schlussstrich ist gezogen.»
Der Blick geht bei der Agravis deshalb auch klar nach vorn. «Wir planen für 2020 mit einer soliden und stabilen Umsatzentwicklung und einem Ergebnis vor Steuern, das bei 30,2 Millionen Euro liegt», erläuterte Finanzvorstand Johannes Schulte-Althoff.
Um diese Ziele zu erreichen, hat sich der Konzern eine klare Weiterentwicklung verordnet. «Agravis hat den Anspruch, ein profitables, dauerhaft dividendenfähiges Agrarhandels- und Dienstleistungsunternehmen zu sein, das in der Lage ist, Gewinne zu thesaurieren», so formulierte es der Vorstandsvorsitzende und stellte auch sofort den Weg dahin klar. «Wir haben in neuer Besetzung im Vorstand gemeinsam mit dem Aufsichtsrat und dem Führungskreis Weichen klar und konkret gestellt, an vielen Stellen bereits Veränderungen angeschoben und umgesetzt – hin zu mehr Geschäft, mehr operativer Exzellenz und Kostendisziplin. Als Lösungsgeber und Innovationstreiber verstehen wir uns als das marktrelevante Agrarhandelsunternehmen mit dem Schwerpunktmarkt in Deutschland.»
Die Agravis setze diesen Weg konsequent um, wie Dr. Köckler an Beispielen klar machte. So werden aktuell die drei bisher eigenständigen Vertriebsgesellschaften Agravis Mischfutter Westfalen GmbH, Agravis Mischfutter Emsland GmbH und Agravis Futtermittel Rhein-Main GmbH zum 1. April 2020 zusammengeführt. Die neue Vertriebsgesellschaft wird den Namen Agravis Mischfutter West GmbH tragen. «Wir sind damit noch näher am Kunden, haben noch schlankere Prozesse und sind noch schneller im Geschäft – mit klarer Aufgabenverteilung», begründete der Agravis-Chef, denn «der Markt für Mischfutter und Spezialfutter ist geprägt von Überkapazitäten. Darüber hinaus wissen wir, dass die Tierzahlen nicht weiter steigen, sondern eher sinken werden, und wir wissen, dass der Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten in den kommenden Jahren rückläufig sein wird. Darauf müssen wir uns frühzeitig einstellen – gemeinsam im genossenschaftlichen Verbund».
Ein weiteres Beispiel: Ab Januar 2021 wird die Agravis im Osten der Republik als eine starke Gesellschaft Agravis Ost auftreten und nicht mehr mit vier einzelnen Gesellschaften. «Wir sind damit auch im Osten Deutschlands als DER Agrarhändler sichtbar, arbeiten in schlanken Strukturen, aber mit maximaler Kundennähe und Kompetenz», sagt Dr. Köckler.
Aber auch das Wachstum hat die Agravis nicht aus den Augen verloren. Dazu gehört eine weiterhin hohe Investitionsbereitschaft. «Auch in einem schwierigen Jahr wie 2019 haben wir 47 Millionen Euro investiert. Wir sind überzeugt davon, dass sich der Markt am Ende auch für immer modernere, leistungsstärkere Standorte entscheiden wird. Diesen Weg setzen wir auch 2020 konsequent fort. Wir werden erneut rund 49 Millionen Euro in die Standortqualität, in Leistungsfähigkeit, in Kundennähe investieren», setzt der Vorstandschef Zeichen und betont, dass auch Investitionen in die Digitalisierung für die Agravis ein Schritt in die Zukunft sind. «Wir investieren nicht nur in Steine – seit einiger Zeit sind Investitionen in unser digitales Arbeitsfeld genauso wichtig. Auch hier haben wir für 2020 über 10 Millionen Euro eingeplant.» Dr. Köckler machte deutlich, dass für ihn der Schlüssel für erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle auch aus der Expertise aus dem klassischen Agrarhandel kommen. «Digital ersetzt nicht das klassische Geschäftsmodell bei uns, sondern digital und klassischer Agrarhandel ergänzen sich. Beide Seiten haben ihre Vorteile und die gilt es im Sinne des Kundenauftrags weiterzuentwickeln.»
Das helfe dem Kunden, der zusätzlich von neuen Lösungen für Acker und Stall profitiert – das helfe aber auch der Agravis, um Prozesse zu verkürzen, Strukturen anzupassen und neue Marktanteile zu gewinnen. «Dabei sind wir offen für Kooperationen mit den Genossenschaften, um Portallösungen für die landwirtschaftlichen Kunden anbieten zu können. Ich bin überzeugt davon, dass Kooperation der richtige Weg bei der Digitalisierung ist.» Ein konkretes Beispiel dafür sei, dass die Agravis, die ODAS IT GmbH und die BASF Digital Farming GmbH ihre digitalen Angebote für Landwirte verknüpfen wollen. «Die digitale Welt verlangt nach neuen Lösungen, die auch eine andere Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie mit sich bringen. Wir sind offen dafür, weil der Kunde am Ende davon profitiert.»
Gedämpft wird die generelle Zuversicht bei der Agravis aber durch die Auswirkungen der aktuellen Corona-Pandemie. «Corona ist natürlich auch für uns neu und eine Herausforderung mit noch offenem Ausgang. Die klaren Weichenstellungen durch die Trennung von Arbeitsbereichen, Nutzung von Homeoffice-Lösungen, und, und, und, helfen uns, den Geschäftsbetrieb in vollem Umfang, aber mit deutlich erhöhtem Aufwand fortzuführen. Unsere Kunden – Landwirte, Mühlen und Genossenschaften – können darauf vertrauen, dass sie bei uns weiterhin alles Notwendige erhalten, damit die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgt werden kann. Wir sind uns der Verantwortung bewusst, dass wir mit aller Macht die Produktion von Futtermitteln sicherstellen müssen, damit die Tiere auf den Höfen und unsere Haustiere ausreichend Futter bekommen, die jetzt beginnenden Feldarbeiten nicht zum Erliegen kommen und die Lieferketten aufrechterhalten bleiben, damit wir beispielsweise die Mühlen weiterhin mit Getreide versorgen können. Wir danken unseren engagierten und qualifizierten Mitarbeitern ausdrücklich für Ihren Einsatz.»
Agravis versucht, mit erheblichen Mehrkosten aufwendige Logistikketten aufrechtzuerhalten, und setzt auf die Entschädigungszusagen der Politik. In der Summe sei die Lage für die Agravis mit rund 6.500 Mitarbeitern und 400 Standorten bei einer starken nationalen Ausrichtung des Geschäftes bis dato noch beherrschbar, aber die Situation sei auch täglich, manchmal sogar stündlich neu zu bewerten. «Unser vorsichtiges Risiko-Management hat uns bis dato vor starken Verlusten durch den Preiseinbruch bei Rohöl und Agrarerzeugnissen bewahrt. Für die kommenden Wochen konzentrieren wir uns allerdings mit aller Kraft auf die vor uns stehenden Anforderungen, um die Geschäftsabläufe weiter aufrechtzuerhalten», sagt Dr. Köckler abschließend. «Welche Folgen die Corona-Pandemie dann am Ende für die regionale, nationale und sogar weltweite Wirtschaft haben wird, bleibt abzuwarten. Fest steht aber, sie zwingt uns, Dinge neu zu denken und umzusetzen – und auch die regionale Lebensmittelerzeugung wieder in den Fokus zu rücken» (Foto: pixabay.com).
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