Donnerstag, 18. April 2024

100 Tage Agrar- und Ernährungspolitik: Und was?

Bremerhaven. (eb) Die parlamentarische Opposition täte gut daran, einen agrarpolitischen Sprecher zu ernennen, der einigermaßen sattelfest ist. Der nicht darauf baut, die Bürger im Land hätten durchweg ein Kurzzeitgedächtnis. Der nicht die Fachwelt foppt, in dem er Probleme von heute mit Rezepten von gestern zu lösen versucht. Der nicht vergessen hat: Über Jahrzehnte verantwortete die parlamentarische Opposition das Agrarressort. Sie könnte jetzt ihr Bedauern ausdrücken über diesen und jenen Flurschaden. Kollateralschaden. Einsicht zeigen in Bezug auf nötige Veränderungen. Doch nichts dergleichen geschieht. Wie verbesserungswürdig die parlamentarische Arbeit ist, erkennen Bürger und Fachwelt daran, dass kaum jemand die Namen des agrarpolitischen Sprechers oder der wirtschaftspolitischen Sprecherin kennt.

Das ist umso ärgerlicher, je mehr die Bundesrepublik Deutschland dringend eine weitsichtige wie ausgewogene Agrar- und Ernährungspolitik braucht. Seit 100 Tagen ist die Ampelkoalition im Amt. Wir erleben einen mutigen Kanzler, eine blitzgescheite Außenministerin, einen energischen Wirtschafts- und Klimaschutzminister, einen Trickkünstler als Finanzminister und so weiter. Was erleben wir in der Agrar- und Ernährungspolitik? Möglicherweise den freundlichsten Grußonkel, den die Regierungsbank je gesehen hat – und wie erstmals im Dezember befürchtet (siehe WebBaecker 49/2021 Nr. 09).

Welche Leistungsbilanz hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vorzuweisen? Überlegungen tauchen auf, der ideologische Raum würde im BMEL mehr gepflegt als die real existierende Branche. Tatsächlich aber sind weite Teile der Ernährungsbranche, ob Handwerk oder Industrie, in der ökologischen Entwicklung deutlich weiter, als die jahrzehntelange Realpolitik es erahnen ließe. Für den fachfremden Minister mag das vielleicht neu sein. Doch für «das Fach» erwartet die Branche jetzt Führung und Vision. Ein Leitbild, mit dem die Zukunft im gegenseitigen Einvernehmen umgesetzt wird.

Damit sich das Land nicht weitere vier Jahre im Kreis drehen muss, wäre jetzt eine parlamentarische Opposition hilfreich, die die Agrar- und Ernährungspolitik beherrscht und fachkundig wie zeitgemäß begleiten kann. Alles andere ist nämlich überflüssig (Foto: pixabay.com).

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