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 Ausgabe 33/11 -- 19. August 2011

11. Jahrgang 

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Frankreich: Nahrungsmittelindustrie im Wandel

 

 

Paris / FR. (15.08. / gtai) Frankreichs Nahrungsmittelindustrie zeigt einige neue Ansätze zur Modernisierung der Produktion und Distribution. Während der Handel neue Maßstäbe in Transport und Logistik setzt, wird auch dem Umweltaspekt eine immer wichtigere Bedeutung beigemessen. Die Produktion dürfte 2011 aber eher stagnieren, während niedrige Gewinnmargen die Investitionslaune drücken. Im Außenhandel konnte die Industrie 2010 bei Exporten von 36 Milliarden Euro (plus zehn Prozent) und Importen von 30 Milliarden Euro (plus vier Prozent) ihren Überschuss weiter ausbauen - berichtet Germany Trade + Invest (GTAI).

 

Von der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise wurde die Nahrungsmittelindustrie nicht so hart getroffen wie die übrige Industrie - relativ betrachtet mussten deutlich weniger Unternehmen schließen. Mittelfristig sind die Aussichten aber eher getrübt, konstatierte die Industrievereinigung ANIA im Frühjahr nach einer gemeinsamen Analyse mit dem Marktforschungsinstitut Xerfi. Während das Vorjahr insgesamt noch zufriedenstellend verlief, werden die Perspektiven für 2011 und 2012 weniger rosig beurteilt.

 

Im Jahr 2010 konnte die Industrie ihren Umsatz noch um 3,0 Prozent auf 143 Milliarden Euro verbessern und behauptete damit ihren ersten Rang unter Frankreichs großen Industriesektoren. Auch hinsichtlich der Beschäftigung blieb sie mit 477.000 Mitarbeitern der zweitgrößte Arbeitgeber hinter dem so genannten mechanischen Sektor. Der Beitrag zur Wertschöpfung der Industrie erreichte 12,4 Prozent.

 

Dennoch wurde in den meisten Indikatoren das Niveau vor der Wirtschaftskrise noch nicht wieder erreicht. Für 2011 prognostizieren die Analysten lediglich ein schwaches Produktionswachstum von 0,2 Prozent - was deutlich unter dem antizipierten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von zwei Prozent läge. Das wesentliche Argument ist, dass der private Konsum keine größeren neuen Nachfrageschübe erwarten lasse. Vor diesem Hintergrund lassen sich weder die Überkapazitäten ausfüllen noch größere Neuinvestitionen ankurbeln, bemängeln die Experten.

 

Erschwerend für die Industrie kommt hinzu, dass der Inflationsdruck tendenziell zugenommen hat aufgrund stärkerer Preisanstiege bei agrarischen Rohstoffen, Erdöl, Verpackungen oder Energie. Konfrontiert mit der rigiden Verhandlungsposition der großen Handelsketten muss laut ANIA die Industrie den Großteil der Preissteigerung schultern. Die Bruttogewinnmargen dürften somit 2011 deutlich niedriger ausfallen.

 

ANIA ist die Dachorganisation für 21 produktbezogene und 18 regionale Vereinigungen. Zum Jahresbeginn 2010 zählte sie 10.282 Unternehmen, wovon 97 Prozent kleine und mittlere Unternehmen (bis 250 Beschäftigte) und 73 Prozent Kleinstbetriebe (unter 20 Beschäftigte) waren. Unter den Top 100 der französischen Unternehmen nach Beschäftigten befinden sich das Agrarunternehmen Roquette Frères auf Rang 35 (2.765 Beschäftigte) sowie die Nahrungsmittelhersteller Kermene (2.300), SVA Jean Roze (2.062), Sodebo (1.988), LDC Sable (1.863), Servair eins (1.619) und Socopia Viandes (1.521).

 

Eine grundsätzliche Schwäche der nationalen Industrie besteht laut ANIA darin, dass nur eine geringe Anzahl der KMU die kritische Größe erreicht. Nachträglich sind überdies die schwache Kapitalausstattung sowie die geringe Aktivität in Forschung und Entwicklung, die weniger als eins Prozent des Umsatzes ausmacht. Hinzu kommt die mangelnde berufliche Attraktivität, was Nachwuchsprobleme schafft. Auch für internationale Investment Fonds scheint die Industrie weniger interessant als moderne Hightech-Branchen, insoweit die Rentabilität mit durchschnittlich fünf bis sechs Prozent deutlich niedriger sei.

 

Ein elementarer Ansatzpunkt zu größerer Produktivität liegt auf der Ebene Transport + Logistik. Dies wird zwangsläufig erfolgen, insofern die großen Handelsketten in einem stagnierenden Markt zunehmend neue Maßstäbe hinsichtlich schnellerer Lieferzeiten und kleinerer Bestellungen setzen. Die Industrie wird somit konfrontiert mit wachsenden Anforderungen im Supply Chain Management und Just-in-time-Lieferrhythmus.

 

Dies impliziert neue Investitionen in Lager- und Kühlfazilitäten, effizientere Verfahren der Palettierung und teils auch eine völlige Neugestaltung der Supply Chain einschließlich der Beschaffung von Rostoffen und Verpackungen. Mehrere Unternehmen entwickelten eine neue Software für präzisere Simulationen zur Ablaufzeit oder stellten gar eigene IT-Fachkräfte ein. Danone etwa installierte bei Carrefour ein Projekt der Regalverfügbarkeit (on-shelf availability), das eine bessere Kontrolle der Warenabflüsse gewährleistet. Kleinere Betriebe entdecken die Vorteile der Zusammenlegung oder des Outsourcings. Die Modernisierung impliziert auch ein neues Geschäft für spezialisierte Logistikfirmen - wie etwa Stef-TFE für Tiefkühlprodukte.

 

Ein zweiter wichtiger Zukunftsaspekt ist die Forderung nach einer höheren Umweltverträglichkeit. Im Raum schwebt die politische Auflage eines Carbon Footprint für Massenprodukte, was 2012 erstmalig auf Experimentbasis erfolgen soll. Denn die Industrie trägt mit dem hohen Bedarf an Energie, Wasser und Transport sowie dem Abfallaufkommen bedeutend zur Umweltbelastung bei. Für die Anbieter von Mess- und Regeltechnik eröffnet sich damit ein riesiger Zukunftsmarkt, insofern die traditionellen Fertigungsprozesse noch ein enormes Einsparpotential an Wasser und Energie besitzen.

 

In diesem Sinne arbeitet Bonduelle mit EDF und Mines ParisTech an einem Forschungsprojekt, das von der nationalen Umweltagentur Ademe unterstützt wird. Das Projekt namens «Saubere Fabrik» ist inspiriert von der so genannten Pinch-Technologie (Energieintegration) und läuft in den drei Produktkategorien Frischwaren, Tiefkühlkost und Konserven. Bonduelle ist auch Partner in dem von Cemagref koordinierten Programm «Frisbee» für Tiefkühlprozesse (French information system on saproxylic beetle ecology). Auch der Aspekt der Reinigung gelangt zunehmend auf den Prüfstand, beispielsweise praktiziert vom Milchproduzenten Danone Pays de Bray mit der Einführung neuer Osmoseverfahren zur Wiedergewinnung von Prozesswasser. Danone Eaux möchte bis 2012 Ihre Volvic-Abfüllfabrik karbonneutral gestalten - vornehmlich durch besseres Recycling, weniger Verpackung und die Verwendung von recyceltem PET-Kunststoff.

 

In einigen Zweigen dürfte der Umweltfaktor auch einige stärkere Neuinvestitionen in die Automation und Fertigungsroboter auslösen - so wie sie im Warenhandling oder Pick + Place (Gruppierung, Abfüllung, Palettierung ...) schon unverzichtbar geworden sind. Die Käsehersteller nutzen Roboter bereits seit einigen Jahren für Funktionen wie Wenden, Tranchieren und andere Prozesse. Neuerdings widmen sich die Roboterliga aus Kuka, Fanuc oder Stäubli auch der Fleischverarbeitung, die wohl in Ländern wie Deutschland und Schweden am weitesten fortgeschritten ist. Frankreich sieht hier noch große technische Herausforderungen, abgesehen von Hygiene und Veterinärpolitik. Der Zweig wird zudem dominiert durch kleinere KMU, die derart massive Investitionen nicht stemmen können. Tendenziell sollte sich hier aber in Zukunft einiges ändern.

 

Die Produktentwicklung in Frankreich kennzeichnete in den letzten Jahren eine hohe Dynamik bei den Innovationen. Nationale Statistiken liegen hier nicht vor, doch lassen internationale Analysen einigen Aufschluss zu: Laut der Unternehmensberatung Mintel kamen allein im 1. Halbjahr 2010 in Europa und Nordamerika 39.700 Innovationen auf den Markt, 2009 waren es weltweit über 80.000.

 

«En vogue» sind vor allem Bioprodukte. Die multinationalen Konzerne lancieren immer mehr eigene Innovationen im Markt - zu den Pionieren zählten hier Kraft (Keksmarke Lu), Heinz (Bioketchup), Unilever (Knorr-Suppen), Saint-Hubert (Margarine) und Lesieur (Speiseöle). Aufgrund des hohen Wachstumspotentials werden die Großunternehmen auch zukünftig stärker aktiv werden und diesen Teilmarkt nicht den traditionellen Anbietern wie Léa Nature, Distriborg oder Euro-nat überlassen. Schätzungsweise etwa 30 Prozent der Bioprodukte werden importiert.

 

Die nationale Industrie produziert etwa 85 Prozent der in Frankreich konsumierten Nahrungsmittel und verarbeitet etwa 70 Prozent der agrarischen Produktion. Aus dem Ausland kommen somit nur 15 Prozent der Nahrungsmittel. Die Handelsbilanz ist im Gegensatz zu den meisten anderen Industriebranchen positiv. Traditionell erwirtschaftete die Nahrungsmittelindustrie mit die stärksten Überschüsse im Außenhandel und bestreitet rund 13 Prozent des französischen Gesamtexports. Im Jahr 2010 verbesserte sich der Saldo beträchtlich um 57 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro - damit lag er wieder in der Größenordnung von 2008 (5,4 Milliarden Euro), aber unter dem Ergebnis von 2007 (6,8 Milliarden Euro).

 

Außenhandel 2010 global

(in Millionen Euro, Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent)

 

Import Veränderung Export Veränderung
Fleisch und Fleischprodukte 4.779 2,7 4.251 6,8
Fischgerichte und -konserven 3.148 10,0 676 -3,8
Frucht- und Gemüseprodukte*) 3.674 2,9 1.721 7,2
Pflanzliche und tierische Öle und Fette 3.063 -1,9 975 9,4
Milch- und Eisprodukte 2.718 12,9 5.551 13,6
Getreideprodukte 1.264 -4,2 2.185 5,9
Backwaren, Konditoreiprodukte, Nudeln 1.620 -0,6 1.283 2,3
Sonstige Nahrungsmittel 5.347 8,6 6.236 8,5
Tiernahrung 685 3,0 1.692 2,7
Getränke 2.520 2,6 11.122 15,6
Tabak 1.602 1,7 435 4,4
Gesamt 30.423 4,2 36.128 10,1

*) einschließlich Säfte - Quelle: Direction générale des douanes et droits indirects

 

Im bilateralen Handel mit Deutschland stieg der Export 2010 stärker als der Import und Frankreichs Überschuss vermehrte sich um fast ein Drittel von 135 Millionen auf 178 Millionen Euro. Hauptverantwortlich für die positive Bilanz sind Wein und Champagner, die Getränkesparte allein verbuchte 2010 einen Überschuss von 790 Millionen Euro, etwas höher als im Vorjahr mit 763 Millionen Euro. Die relativen Handelsanteile entsprechen sich in etwa: Der Importanteil deutscher Produkte in Frankreich lag bei 13,8 Prozent, umgekehrt nahm Deutschland 12,1 Prozent der französischen Exporte ab (Quelle: GTAI).

 

Außenhandel 2010 mit Deutschland

(in Millionen Euro, Veränderungen in Prozent)

 

Import Veränderung Export Veränderung
Fleisch und Fleischprodukte 765 2,5 470 5,3
Fischgerichte und -konserven 113 -1,8 55 -1,0
Frucht- und Gemüseprodukte*) 396 -4,3 249 5,7
Pflanzliche und tierische Öle und Fette 146 -13,0 103 2,1
Milch- und Eisprodukte 551 10,7 876 9,6
Getreideprodukte 212 7,2 357 3,7
Backwaren, Konditoreiprodukte, Nudeln 357 -4,2 204 0,6
Sonstige Nahrungsmittel 988 6,5 751 5,0
Tiernahrung 126 -5,8 166 -10,2
Getränke 259 5,6 1.049 4,1
Tabak 283 10,3 97 -29,0
Gesamt 4.197 2,5 4.375 3,5

*) einschließlich Säfte - Quelle: Direction générale des douanes et droits indirects

 

Agrar- und Lebensmittelmessen in Île-de-France

 

Fach Name Datum Internet
Landwirtschaft*) SIA - Salon International de l'Agriculture 25.02. bis 04.03.2012 salon-agriculture.com
Brot und Backwaren Europain 03.03. bis 07.03.2012 europain.com
Agrarische Nahrungsmittel SIAL - Salon International de l'Agroalimentaire 21.10. bis 25.10.2012 sial.fr
Ausrüstung und Verarbeitung IPA - Salon International du Process Alimentaire 21.10 bis 25.10.2012 ipa-web.com
Fertigprodukte IN-FOOD - Salon des produits alimentaires intermédiaires, ingredients et sous-traitance industrielle 21.10. bis 25.10.2012 infood.com
Hotellerie und Gastronomie Equip'Hotel - Salon International de l'hôtellerie, la restauration, café/bar et des collectivités 11.11. bis 15.11.2012 equiphotel.com
Verpackung Emballage - Salon International de l'emballage 19.11. bis 22.11.2012 emballageweb.com
Agrarmaschinen SIMA - Mondial des fournisseurs de l'agriculture et de l'élevage Februar 2013  planet-agri.com
Wein*) Salon professionnel des vignerons indépendants d'Europe 24. bis 28.11.2011 (Paris) vigneron-independant.com
Käse- und Milchprodukte Sfpl - Salon du fromage et des produits laitiers 26.02. bis 29.02.2012 salon-fromage.com
Distribution, Innovation, Kundennähe, Usability Vending Paris - Salon international de la distribution automatique 24.10. bis 26.10.2012 vendingparis.com

*) jährlich, sonst zweijährlich - Quelle: Paris Region Trade Shows

 

Internetadressen:

Association Nationale des Industries Alimentaires - ania.net

Agence Française de Sécurité Sanitaire des Aliments - afssa.fr

Association de Coordination Technique pour l'Industrie Agroalimentaire - actia-asso.eu

Ministère de l'Économie, de l'Industrie et de l'Emploi - industrie.gouv.fr

Ministère de l'Agriculture et de la Pêche - agriculture-gouv.fr

Foires, Salons, Congrès et Evénements de France (FSCEF) - foiresaloncongres.com

 

 

 

 

DIESER BEITRAG GEHÖRT ZUM WEBBAECKER INFODIENST FÜR DIE 33. KALENDERWOCHE 2011

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